Schulze
,
s. v. w. Schultheiß.
Schulze
2 Seiten, 1'857 Wörter, 13'603 Zeichen
Im Meyers Konversations-Lexikon, 1888
Schulze,
s. v. w. Schultheiß.
Schulze,
1) Gottlob Ernst, Philosoph, geb. zu Heldrungen in Thüringen, studierte zu Wittenberg, [* 2] wurde daselbst Privatdozent, 1788 ordentlicher Professor der Philosophie zu Helmstädt und 1810 zu Göttingen, [* 3] wo er starb. Von seinen Schriften sind hervorzuheben: »Änesidemus, oder über die Fundamente der von Reinhold gelieferten Elementarphilosophie« (Helmst. 1792), sein epochemachendes Hauptwerk, worin er (gegen Kant) dessen (realistische) Annahme der Dinge an sich für Selbstwiderspruch der Kritik und diese nur dann für konsequent erklärte, wenn sie die Unmöglichkeit derselben behaupte, eine Konsequenz, welche Fichte [* 4] zwei Jahre später (ohne von S. zu wissen) wirklich gezogen hat; ferner »Grundsätze der allgemeinen Logik« (Göttingen 1810, 5. Aufl. 1831); »Encyklopädie der philosophischen Wissenschaften« (das. 1814, 3. Ausg. 1824),
»Psychische Anthropologie« (das. 1816, 3. Ausg. 1826),
»Über die menschliche Erkenntnis« (das. 1832), in welchen Schriften S. seinen anfänglichen skeptischen Standpunkt mit dem der Beobachtung der Bewußtseinsthatsachen vertauscht und sich F. H. Jacobi (s. d. 2) und Fries (s. d. 1) nähert.
2) Friedrich August, als Romanschriftsteller unter dem Namen Friedrich Laun bekannt, geb. zu Dresden, [* 5] studierte in Leipzig, [* 6] ward 1807 Sekretär [* 7] bei der Landesökonomiedeputation und erhielt 1820 den Titel eines königlichen Kommissionsrats. Er starb in Dresden. Außer vielen teils in Zeitschriften und Taschenbüchern, teils besonders erschienenen Erzählungen gab er mit Apel ein »Gespensterbuch« (Leipz. 1810-17, 6 Bde.),
»Lustspiele« (Dresd. 1807) und »Gedichte« (Leipz. 1824, neue Aufl. 1828) heraus. Seine »Gesammelten Schriften« erschienen in 6 Bänden (mit Vorrede von L. Tieck, Stuttg. 1843). S. lieferte besonders in der komischen und naiven Gattung Anerkennenswertes (z. B. die Erzählung »Die Reise zur Hinrichtung«).
3) Johannes, deutscher Schriftsteller und verdienter Schulmann, geb. zu Brühl in Mecklenburg-Schwerin, studierte zu Halle [* 8] Theologie und Philologie, ward 1808 Professor am Gymnasium zu Weimar, [* 9] 1812 am Gymnasium in Hanau [* 10] und im folgenden Jahr zum Oberschulrat ernannt. Drei Jahre später trat er als Konsistorial- und Schulrat bei dem Konsistorium zu Koblenz [* 11] in preußische Dienste [* 12] und ward 1818 als vortragender Rat im Ministerium der geistlichen, Unterrichts- und Medizinalangelegenheiten nach Berlin [* 13] berufen. Er bearbeitete hier bis zum Tode des Ministers Altenstein (1840) die Angelegenheiten des höhern Schulwesens, dann die Universitätssachen und wurde 1849 Direktor der Unterrichtsabteilung; 1859 trat er als Wirklicher Geheimer Oberregierungsrat in den Ruhestand und starb Er veröffentlichte eine Sammlung seiner »Schulreden« (Leipz. 1818-30, 2 Bdchn.). Auch machte er sich verdient durch die mit H. Meyer veranstaltete Herausgabe von Winckelmanns »Geschichte der Kunst des Altertums« (Dresd. 1809-1815, 4 Bde.) und von Hegels »Phänomenologie des Geistes« (2. Aufl., Berl. 1841).
Vgl. Varrentrapp, J. S. und das höhere Unterrichtswesen Preußens [* 14] (Leipz. 1889).
4) Ernst, Dichter, geb. zu Celle, [* 15] widmete sich in Göttingen erst theologischen, dann ästhetischen und philologischen Studien und schrieb schon damals sein gewandtes, noch im Stil Wielands gehaltenes Gedicht »Psyche« (1819), habilitierte sich als Privatdozent und hielt Vorlesungen über alte Sprachen und schöne Litteratur. Nachdem er 1814 an dem Feldzug gegen Frankreich als hannöverscher Freiwilliger teilgenommen, kehrte er nach Göttingen zurück, starb aber, seit Jahren brustleidend, schon in Celle.
Sein romantisches Epos »Cäcilia« (Leipz. 1818; 3. Aufl. 1849, 2 Bde.), zu welchem ihn der Tod seiner Geliebten Cäcilie Tychsen Anlaß gab, ist bei entschiedener Unzulänglichkeit der Erzählung und Charakteristik durch einzelne glückliche Schilderungen und leichten, harmonischen Versbau ausgezeichnet. Während seiner Krankheit verfaßte er sein bestes Werk: »Die bezauberte Rose«, romantische Erzählung in drei Gesängen (Leipz. 1818, 14. Aufl. 1887, Prachtausg. 1862),
wofür ihm der in der
»Urania« ausgesetzte
Preis zuerkannt ward.
Unter seinen »Vermischten Gedichten« (Leipz.
1820, 3. Aufl. 1852) befinden sich viele der zartesten
Blüten deutscher
Lyrik. Eine Gesamtausgabe seiner poetischen Werke
besorgte
Bouterwek (Leipz. 1818-20, 4 Bde.; 3. Aufl.,
mit
Biographie des Dichters von H.
Marggraff, das. 1855, 5 Bde.).
Wohlklang und Leichtigkeit des Versbaues, Zartheit der
Empfindung sowie Farbenreichtum und Lebendigkeit
der
Darstellung sind die Vorzüge der Schulze
schen
Dichtungen.
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5) Josephine, geborne Killitschgy, dramatische Sängerin, geboren um 1790 zu Wien, [* 17] erhielt ihre Ausbildung durch Salieri, debütierte 1810 in Breslau [* 18] und wurde 1812, nachdem sie sich ein Jahr zuvor mit dem Justizrat S. verheiratet hatte, an der Berliner [* 19] Hofoper angestellt. Hier bildete sie mit Anna Milder, dem Tenor Bader und dem Bariton Blume jenes berühmte Soloquartett, welches die Zeit der Spontinischen Opernleitung zu einer der glänzendsten in der Musikgeschichte Berlins gemacht hat. Bereits 1831 auf ihr Verlangen pensioniert, starb sie in Freiburg [* 20] i. Br.
6) Friedrich Gottlob, Nationalökonom und Landwirt, geb. zu Obergävernitz bei Meißen, [* 21] besuchte Schulpforta, studierte in Leipzig und Jena, [* 22] ward 1817 Oberverwalter des Kammerguts Oberweimar, habilitierte sich 1819 zu Jena, ward 1821 zum Professor ernannt und gründete daselbst 1826 eine Anstalt zur Ausbildung angehender Landwirte und Kameralisten. 1832 folgte er einem Ruf nach Greifswald [* 23] und gründete von dort aus 1834 zu Eldena ebenfalls eine kameralistisch-ökonomische Lehranstalt, kehrte aber 1839 als Professor der Staatswirtschaft nach Jena zurück, wo er sofort wieder ein landwirtschaftliches Institut eröffnete, und starb daselbst.
Unter seinen Schriften sind hervorzuheben: »Über Wesen und Studium der Wirtschaftswissenschaften« (Jena 1826);
»Deutsche [* 24] Blätter für Landwirtschaft und Nationalökonomie« (das. u. Leipz. 1843-59, 2 Bde.) und »Nationalökonomie oder Volkswirtschaftslehre, vornehmlich für Land-, Forst- und Staatswirte« (Leipz. 1856).
Vgl. Birnbaum, Friedr. Gottl. S. als Reformator der Landwirtschaftslehre (Frankf. 1860);
(Herm. Schulze
) F. G. S.-Gävernitz,
ein Lebensbild (neue Ausg., Heidelb. 1888).
7) Hermann von S.-Gävernitz, ausgezeichneter Staatsrechtslehrer, Sohn des vorigen, geb. zu Jena, studierte daselbst und in Leipzig die Rechte und Kameralwissenschaften, habilitierte sich 1848 in der juristischen Fakultät zu Jena, ward daselbst 1850 außerordentlicher Professor der Rechte und folgte 1857 einem Ruf als ordentlicher Professor des Staatsrechts nach Breslau, 1878 nach Heidelberg, [* 25] wo er, 1888 in den erblichen Adelstand erhoben, 28. Okt. d. J. starb.
Seine bedeutendsten Schriften sind: »System des deutschen Staatsrechts« (Abt. 1, Leipz. 1865),
in neuer Ausgabe erschienen als »Einleitung in das deutsche Staatsrecht« (das. 1867),
mit Nachtrag »Die Krisis des deutschen Staatsrechts im Jahr 1866« (das. 1867);
»Das preußische Staatsrecht auf Grundlage des deutschen Staatsrechts dargestellt« (das. 1870-77, 2 Bde. in 5 Abtlgn.; 2. Aufl. 1888),
wovon er eine verkürzte Bearbeitung in Marquardsens »Handbuch des öffentlichen Rechts der Gegenwart« (Freiburg i. Br. 1884) lieferte;
»Lehrbuch des deutschen Staatsrechts« (Leipz. 1881-86, 2 Bde.).
Außerdem nennen wir: »Das Recht der Erstgeburt in den deutschen Fürstenhäusern« (Leipz. 1851);
»Die Hausgesetze der regierenden deutschen Fürstenhäuser« (Jena 1862-83, 3 Bde.);
»Die Staatssuccession im Herzogtum Lauenburg« [* 26] (Hamb. 1864);
»Das Erb- und Familienrecht der deutschen Dynastien des Mittelalters« (Halle 1871);
»Aus der Praxis des Staats- und Privatrechts« (Leipz. 1876);
»Robert v. Mohl« (Heidelb. 1886).
8) Franz Eilhard, Zoolog, geb. zu Eldena, studierte in Rostock [* 27] und Bonn, [* 28] habilitierte sich 1863 in Rostock für Anatomie, wurde 1865 daselbst Professor der vergleichenden Anatomie, dann der Zoologie und nahm an der Expedition des Dampfers Pommerania zur Erforschung der Ostsee teil. 1873 ging er als Professor der Zoologie nach Graz, [* 29] 1884 nach Berlin. Er beschäftigte sich namentlich mit Anatomie und Entwickelungsgeschichte [* 30] der niedern Tiere und lieferte epochemachende Arbeiten über die Seeschwämme, über die Hautsinnesorgane der Fische [* 31] und Amphibien und über Cordylophora lacustris.
Im Brockhaus` Konversationslexikon, 1902-1910
Schulze,
Friedr. Aug., als Romanschriftsteller unter dem Namen Friedrich Laun bekannt, geb. zu Dresden, trat zuerst als Assistent in die kurfürstl. Finanzkanzlei, studierte 1797‒1800 in Leipzig und kehrte dann nach Dresden zurück, wurde 1807 Sekretär bei der Landes-Ökonomie-Manufaktur- und Kommerziendeputation, erhielt 1820 das Prädikat eines königl. Kommissionsrates und starb zu Dresden. Ohne auf höhere Bedeutung Ansprüche machen zu können, gehörte S. zu den beliebtesten Belletristen, namentlich in der plattkomischen und naiven Gattung; besondern Beifall gewann sein Roman «Der Mann auf Freiersfüßen» (Freiberg [* 32] 1801); in andern Werken hält er sich von Frivolität nicht frei. Außer vielen Erzählungen und Romanen gab S. mit A. Apel das «Gespensterbuch» (4 Bde., Lpz. 1810‒14) heraus. Seine «Gesammelten Schriften» erschienen mit Prolog von L. Tieck (6 Bde., Stuttg. 1843). 1837 veröffentlichte er seine «Memoiren» (3 Tle., Bunzlau). [* 33]
Schulze,
Friedr. Gottlob, Nationalökonom und Lehrer der Landwirtschaft, geb. auf dem Gute Gävernitz bei Meißen (deshalb häufig der Name Schulze-Gävernitz), studierte zu Leipzig und Jena und widmete sich dann auf den Gütern seines Vaters der praktischen Landwirtschaft. Er wurde 1817 Oberverwalter der weimar. Kammergüter Tiefurt, Oberweimar und Lützendorf, 1821 außerord., in der Folge ord. Professor zu Jena. Zur Ausbildung angehender Landwirte und Kameralisten gründete er daselbst 1820 ein Institut, das auf die Entwicklung der Landwirtschaft in Deutschland [* 34] lange Zeit sehr einflußreich wirkte.
Während Thaer die Landwirtschaft wesentlich nur von der naturwissenschaftlichen Seite aufgefaßt hatte, strebte S. auch deren Begründung durch die Nationalökonomie an und stellte neben die speciellen Lehren [* 35] des Ackerbaues und der Tierzucht einen auf nationalökonomischen Grundsätzen beruhenden allgemeinen Teil. Die Grundgedanken seiner Anschauung entwickelte er in der Schrift «Über Wesen und Studium der Wirtschafts- und Kameralwissenschaften» (Jena 1826). S. war der erste, der eine landwirtschaftliche Lehranstalt organisch mit einer Universität in Verbindung setzte.
Nachdem S. 1834 die landwirtschaftliche Akademie Eldena bei Greifswald eingerichtet hatte, kehrte er 1839 nach Jena zurück, wo er für die Zwecke des praktischen Unterrichts 1842 die großherzogl. Kammergüter Zwätzen und Lehesten pachtete. Die als Musteranstalt zur Ausbildung von Bauernsöhnen geltende Ackerbauschule in Zwätzen bei Jena verdankt S. ihre Entstehung. Er starb in Jena. 1867 wurde ihm zu Jena ein von Drake modelliertes Denkmal gesetzt. Unter S.s Schriften sind hervorzuheben: «Nationalökonomie oder Volkswirtschaftslehre, vornehmlich für Land-, Forst- und Staatswirte» (Lpz. 1856) und das von Emminghaus und Graf zur Lippe-Weißenfels herausgegebene «Lehrbuch der allgemeinen Landwirtschaft. Nach S.s System und unter Benutzung des handschriftlichen Nachlasses des Verstorbenen bearbeitet» (ebd. 1863). Eine Reihe wertvoller Aufsätze enthalten auch die von ihm 1841‒53 herausgegebenen «Deutschen Blätter für Landwirtschaft». –
Vgl. Birnbaum, Friedrich Gottlob S. als Reformator der Landwirtschaftslehre (Frankf. 1860).
Schulze,
Johannes, Leiter des höhern Unterrichtswesens in Preußen, [* 36] geb. in Bruel, studierte 1805‒6 in Halle Theologie und Philologie, wurde 1808 Gymnasialprofessor in Weimar. Zier wirkte er für Pflege patriotischen Geistes und trat auch als Kanzelredner auf. 1812 berief ihn Dalberg an das Gymnasium in Hanau und ernannte ihn zum Oberschul- und Studienrat. Bereits damals vertrat S. den Gedanken, daß der Schwerpunkt [* 37] des Gymnasialunterrichts auf alte Sprachen und Mathematik zu legen sei. 1816 trat er in den preuß. Staatsdienst als Schulrat beim Konsistorium und Schulkolleg in Koblenz. 1818 wurde er als Geh.
Oberregierungsrat und vortragender Rat in das Kultusministerium nach Berlin berufen und wirkte eifrig für Pflege des Turnens und Abwehr der polizeilichen Beeinträchtigungen der Lehrfreiheit. Das von ihm 1834 geschaffene neue Reglement für die Abiturientenprüfungen war vor allem wegen der Stellung, die es dem griech. Unterricht anwies, folgenreich; auch die Einführung der philos. Prüfung und des Probejahres der Schulamtskandidaten und die Gründung philol.-pädagogischer Seminare geht auf S. zurück. Unter dem Ministerium Eichhorn seit 1840 trat S.s Einfluß zurück. 1852 wurde er zum Wirkl. Geh. Oberregierungsrat ernannt und trat 1858 in den Ruhestand. Seine Thätigkeit als Mitglied der Militärstudienkommission und der Direktion der Kriegsakademie setzte er bis 1864 fort. Er starb in Berlin. Von seinen Schriften sind zu nennen: «Aufruf an die deutschen Jünglinge» (Jena 1808),
die «Predigten» (Lpz. 1810) und «Reden über die christl. Religion» (Halle 1811). Er beteiligte sich auch an der Ausgabe der Werke Winckelmanns und Hegels. –
Vgl. Varrentrapp, Johannes S. und das höhere preuß. Unterrichtswesen in seiner Zeit (Lpz. 1889).