Shukowskij
,
Wasilij Andrejewitsch, berühmter russ. Dichter, geb. 29. Jan. (a. St.) 1783 im Gouvernement Tula auf dem Gut seines Vaters, der eine türkische Kriegsgefangene geheiratet, studierte in Moskau [* 2] und Berlin [* 3] und lieferte, seit 1808 Redakteur des Karamsinschen Journals »Wjesstnik Ewropy«, zahlreiche Übersetzungen aus dem Deutschen, Französischen und Englischen sowie auch Originalaufsätze, Erzählungen und Gedichte. Bei der Napoleonischen Invasion focht er mit im Moskauer Landsturm, lebte dann eine Zeitlang in Dorpat [* 4] und wurde von hier 1817 nach Petersburg [* 5] berufen, um der Gemahlin des nachmaligen Zaren Nikolaus Vorträge über russische Litteratur zu halten. 1820 ward er Mitglied der russischen Akademie, 1824 Hofrat und Erzieher des Großfürsten-Thronfolgers Alexander, auf den er durch sein ideales und humanes Wesen einen wohlthätigen Einfluß ausübte, und 1841 bei der Vermählung desselben zum Geheimrat ernannt.
Seitdem hielt er sich meist in Deutschland [* 6] auf und starb 12. April (a. St.) 1852 in Baden-Baden. [* 7] S. gehört zu den bedeutendsten Vertretern der Romantik in Rußland. Eine unglückliche Liebe zu einer nahen Verwandten hatte ihn in eine melancholische Schwärmerei versetzt, die auch seinen Dichtungen für immer eigen blieb. Von Anfang an vorzugsweise als Übersetzer thätig, wählte er aus den fremden Litteraturen solche Dichtungen aus, die zu seiner eignen Stimmung paßten, und lieferte so Werke, die keineswegs als bloße Übertragungen zu betrachten sind.
Hierher gehören seine Wiedergabe von Schillers »Jungfrau von Orléans«, von Goetheschen, Schillerschen u. Bürgerschen Balladen, Dichtungen von W. Scott, Thomas Moore, Byron (»Der Gefangene von Chillon«),
Uhland etc. Nicht minder gelungene
Übersetzungen lieferte er von der
»Odyssee« und der
»Äneide« (letztere unvollendet). Seine eignen
Dichtungen tragen, wie erwähnt,
das Gepräge der
Schwermut, die selbst seinem berühmten patriotischen Gedicht »Pewétz w stáne
rússkich woínow« (»Der
Sänger im
Lager
[* 8] russischer
Krieger«, 1812), das durch seinen nationalen
Enthusiasmus eine bedeutende
Wirkung ausgeübt hat, nicht fremd ist. Im übrigen beruht sein großes
Verdienst vorzugsweise in der Form
und in der künstlerischen
Faktur des
Verses; die
russische Sprache erhielt unter seiner
Hand
[* 9] einen
Reiz und eine Vollendung,
die man bis dahin noch nicht gekannt hatte. Eine Gesamtausgabe von Shukowskijs
Werken erschien in
Petersburg (7. Aufl. 1878, 6 Bde.).
Noch erschienen seine
Briefe an den
Großfürsten
Konstantin Nikolajewitsch (deutsch,
Dorp. 1881).
Vgl. Seidlitz, S., ein russisches Dichterleben (Mitau [* 10] 1870).