Titel
Tempel
[* 1] (v. lat. templum), bei den Völkern des
Altertums ein der
Gottheit geweihter
Bezirk, dann das auf demselben stehende
Gebäude, zur
Aufnahme der Götterbilder, des
Altars und der
Priester, aber nur selten des
Volkes bestimmt. Im Innern des eigentlichen
Tempel
hauses oder der
Zelle
[* 2] (cella) stand die
Bildsäule oder das
Bild der
Gottheit, welcher der Tempel
gewidmet
war, auf einem
Postament an der dem Eingang gegenüberliegenden
Mauer, vor ihm ein entweder runder oder viereckiger
Opfer- und
Betaltar.
Die
Decke
[* 3] bestand aus
Holz,
[* 4] selten aus
Stein und war gewöhnlich eben, später bisweilen auch gewölbt.
Der
Fußboden war anfangs aus Steinplatten, später aus
Mosaik hergestellt. Die
Säulen des
[* 5]
Portikus schmückte man oft mit erbeuteten
feindlichen
Schilden.
Stufen hatten die griechischen Tempel
in der
Regel, und zwar liefen sie stets ringsherum. Der dadurch geschaffene
Stufenunterbau hieß
Krepidoma. Der Platz um den Tempel
, soweit er der
Gottheit geweiht war, hieß Peribolus.
Mit einer
Mauer umgeben, enthielt er
Altäre,
Statuen,
Monumente aller Art. Über die Tempel
der alten Ägypter s.
Baukunst,
[* 6] S. 482,
und über die der
Inder s.
Höhlentempel. Die
Hebräer besaßen nur einen einzigen Tempel
, den berühmten Tempel
zu
Jerusalem,
[* 7] ihr Nationalheiligtum.
Der erste Tempel
(Salomonischer Tempel
), von
Salomo seit 990
v. Chr. auf dem
Berg
Moria mit
Hilfe phönikischer
Meister
errichtet, war ein steinernes Gebäude von 60
Ellen
Länge, 20
Ellen
Breite
[* 8] und 30
Ellen
Höhe,
an drei Seiten mit Seitenzimmern
umgeben, welche, in drei
Stockwerken übereinander, zur Bewahrung der
Schätze und Gerätschaften des Tempels
dienten, an der vordern Seite aber mit einer 10
Ellen breiten Vorhalle geziert, welche von zwei ehernen
Säulen,
Jachin und
Boas
(»Festigkeit
[* 9] und
Stärke«),
[* 10]
getragen wurde. Das Innere enthielt einen 40 Ellen langen Vorderraum, das Heilige, worin die goldenen Leuchter, der Schaubrottisch und der Räucheraltar standen, und einen durch einen Vorhang davon geschiedenen Hinterraum von 20 Ellen Länge, das Allerheiligste, mit der Bundeslade. Beide Räume waren an den Wänden, das Allerheiligste (Adyton) auch am Boden und an der Decke mit Holzwerk getäfelt. Letzteres war nur dem Hohenpriester, das Heilige nur den Priestern zugänglich.
Das Tempel
gebäude war von einem innern
Vorhof der
Priester mit dem Brandopferaltar, dem Reinigungsbecken
und andern Gerätschaften umgeben und dieser durch Säulengänge mit ehernen
Thoren von dem für das
Volk bestimmten und von
einer
Mauer umschlossenen äußern
Vorhof geschieden. Nachdem er 586 durch
Nebukadnezar zerstört worden war, erhob sich an
seiner
Stelle nach der Rückkehr der
Juden aus der
Babylonischen Gefangenschaft der zweite, nach
Serubabel
gekannte Tempel
, der
wahrscheinlich wie auf der Stätte, so auch nach dem
Plan des ersten errichtet und 516 vollendet wurde, diesem
aber an
Größe und Pracht nachstand.
Durch Antiochos Epiphanes 169 entweiht, ward er von Judas Makkabäus wiederhergestellt und befestigt. Unter Herodes d. Gr. begann seit 21 v. Chr. eine gänzliche Umgestaltung des Tempels in großartigerm Maßstab [* 11] im griechischen Stil (daher Herodianischer Tempel). Dieser Tempelbau war nach Josephus eine Stadie lang und eine Stadie breit. Im jüdisch-römischen Krieg, 70 n. Chr., war der Tempel die letzte Schutzwehr der Juden. Seit 644 steht auf der Tempelstätte eine Moschee. Die Aufzeichnungen über den Salomonischen Tempelbau finden sich, außer einzelnen Notizen bei Jeremias 52 und im 2. Buch der Könige 25, im 1. Buch der Könige, Kap. 5-7, und 2. Chron., Kap. 2-4.
Vgl. Vogué, Le [* 12] temple de Jérusalem (Par. 1864, Prachtwerk), außerdem die Schriften über den Salomonischen Tempel von Keil (Dorp. 1839), Bähr (Karlsr. 1848), Rosen (Gotha [* 13] 1866), Fergusson (Lond. 1878), Spieß (Berl. 1881), Wolff (Graz [* 14] 1887). -
Die höchste künstlerische Ausbildung erfuhr der Tempelbau durch die Griechen, welche, von der einfachsten Form ausgehend, allmählich zu einer Anzahl von Typen gelangten, die nicht nur für die Römer [* 15] maßgebend gewesen sind, sondern auch auf die Baukunst der neuern Zeit Einfluß geübt haben. Man unterschied die einzelnen Gattungen der Tempel entweder nach der Anordnung der Säulenstellungen vor und hinter der Tempelfronte oder an den Seiten des Tempels oder nach der Zahl der Säulen an der Tempelfronte (vgl. auch Baukunst, S. 486). Die erstere Einteilung ist die geläufigere. Man unterschied demnach:
1) Tempel in antis (Antentempel), bei welchen zwischen den über den Haupteingang zur Cella vorgeschobenen Seitenmauern (antae) des Tempels zwei Säulen standen. Die dadurch gewonnene Vorhalle hieß Pronaos. Um die Cella auch von hinten zugänglich zu machen, wurde die Rückseite des Tempels später mit einer gleichen Anlage (Opisthodomos, Hinterhaus) versehen [* 1] (Fig. 1). 2) Prostylos hieß der Tempel, wenn die Stirnseiten der Seitenmauern bis zur Eingangsthür der Cella zurücktraten und die Vorhalle des Tempels allein durch Säulen getragen wurde [* 1] (Fig. 2). 3) Der Amphiprostylos entsteht, wenn diese Säulenstellung sich am Hinterhaus des Tempels wiederholt [* 1] (Fig. 3). 4) Der Peripteros ist die Erweiterung des Amphiprostylos durch eine Säulenhalle, welche um alle vier Seiten des Tempels als freier Umgang herumgeführt wird. Es ist die edelste Form des griechischen Tempelbaues, dessen klassisches Beispiel der Parthenon ist [* 1] (Fig. 4). Eine römische Abart ist der Pseudoperipteros, bei welchem die Säulen in Form von Halbsäulen und Pilastern den Seitenwänden angefügt waren und das Gebälk tru-
[* 1] ^[Abb.: 1. Antentempel. 2. Prostylos. 3. Amphiprostylos. 4. Peripteros. 5. Dipteros. 6. Pseudodipteros.] ¶
mehr
gen, im wesentlichen also nur einen dekorativen Zweck hatten.
5) Der Dipteros entsteht, wenn um den Tempel eine doppelte Säulenstellung herumgeführt wird, also an der Vorder- und Rückseite vier Reihen von Säulen stehen [* 16] (Fig. 5). Der Pseudodipteros [* 16] (Fig. 6) unterscheidet sich von dem Dipteros dadurch, daß die innere Säulenstellung fehlt, aber der Zwischenraum zwischen der äußern Säulenstellung und der Cellawand der gleiche geblieben ist. Je nach der Zahl der Säulen an der Vorderseite, welche immer eine gerade war, unterscheidet man: Naos (Tempel) tetra-, hexa-, okta-, deka- und dodekastylos (d. h. 4-, 6-, 8-, 10 und 12säulige Tempel). Eine besondere Abart der Tempel waren die Rundtempel, welche bisweilen auch von Säulen umgeben waren und dann Monopteros hießen.
Vgl. Nissen, Das Templum (Berl. 1869).