See,See im schweizer. Kanton Bern,
[* 2] 560 m ü. M., 216 m tief, 48 qkm
groß, nimmt viele Gebirgswasser auf, darunter bei
Thun die
Kander, und wird von der
Aare durchflossen, die ihn mit dem
BrienzerSee verbindet. Im
Gegensatz zu diesem
ist er mehr von voralpinem
Wesen, mehr lieblich als ernst und großartig,
von sanftern Bergformen umrahmt, mehr mit Dörfern und Landhäusern bekränzt und in der
Saison mehr vom Fremdenzug belebt,
wie die größere Zahl seiner
Dampfer verrät. Das Bahnnetz der flachern
Schweiz
[* 3] erreicht ihn in
Thun (-Scherzligen), und die
Bödelibahn verknüpft ihn mit demBrienzerSee: von Därligen über
Interlaken nach Bönigen. Der
See ist
reich an
Fischen, vorzüglich
Forellen,
Aalen,
Karpfen und
Hechten.
Der Thunersee, benannt nach der Stadt Thun an seinem untern Ende, gehört zu den alpinen Randseen und reicht, wie der Genfersee
und der Vierwaldstättersee, aus dem Gebiet
¶
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der Alpen hinaus in das Alpenvorland. Er liegt an einer geologisch sehr bedeutsamen Stelle, gerade da nämlich, wo die äusserste
Kette der Kalkalpen, die vom Säntis über den Pilatus, den Hohgant und den Sigriswilgrat heranstreicht, zur Tiefe abbiegt und
gleichsam im See untertaucht. Auf der andern Seite erheben sich die überschobenen Massen der Niesen- und
Stockhornkette, die ihre Vorposten in Form der sog. Spiezerklippen bis in den See hinaus werfen. Die beiden Ufer des Sees sind
demnach geologisch ganz verschieden.
Schon Bernh. Studer hat auf diese Inkongruenz aufmerksam gemacht, die allerdings mehr und komplizierter ist als eine einfache
Blattverschiebung. Ob diese tektonischen Unregelmässigkeiten für die Bildung des Sees selbst von Bedeutung
gewesen, ist schwer zu sagen, denn wie die Querprofile zeigen, ist angesichts der relativen Höhe der umliegenden Gebirgsketten
das Becken des Thunersees nur eine unbedeutende Vertiefung. Eher dürften die Störungen im Gebirgsbau auf den Verlauf des
Thalstückes Meiringen-Thun, von dem der Thunersee einen Teil darstellt, von Einfluss gewesen sein, wobei
die Verbreiterung des Thales und nachherige Stauung des Gewässers als das Werk der erodierenden und akkumulierenden Wirkung
der eiszeitlichen Gletscher und Flüsse zu betrachten ist. Es muss eine Zeit gegeben haben, in welcher der Thunersee mit einem
höhern Wasserstand eine viel grössere Ausdehnung besass. Er setzte sich damals thalaufwärts direkt
in dem jetzigen Brienzersee fort und reichte bis nach dem Kirchet, also bis über das heutige Meiringen hinaus.
Sein unteres Ende war der Höhenzug von Thungschneit bei Heimberg, der sich heute noch gleichsam als Riegel vorlegt und das
damalige Thunerseebecken gegen N. abschloss. Das Niveau dieses schmalen und gewaltig langen Sees lag, wie die ältesten Ablagerungen
der Kander beweisen, bei 600 m, also 40 m höher als heute. Damals existierte auch das Bödeli noch nicht, da, vom hohen Wasserstand
abgesehen, die Anschwemmungen der Lütschine und des Lombaches noch nicht die Mächtigkeit ihrer heutigen
Deltas hatten.
Und der Seeboden des Thunersees in etwa 360 m Meereshöhe setzt sich gleichsam in demjenigen des Brienzersees fort, der mit 330 m
Meereshöhe wohl etwas tiefer liegt, welcher Unterschied aber, auf die Entfernung und die Länge der beiden Seebecken bezogen,
so unbedeutend erscheint, dass er auf einem Längsprofil mit gleichen Massstäben für Längen und Höhen
kaum zu bemerken ist. Während wir über Stand und Ausdehnung des Sees im Anfang der Eiszeit nichts sicheres
wissen, sondern
nur annehmen können, dass in der mehrfachen Folge von Vereisungen und Interglazialzeiten auch das Relief und die Dimensionen
des Sees gewechselt haben müssen, ist doch andrerseits sicher, dass der eben erwähnte Hochstand des Sees und sein Zusammenhang
mit dem Brienzersee zur Zeit der letzten Interglazialzeit bestanden hat.
Denn damals haben die Kander und Simme in den 40 m höhern See ein Delta eingebaut, dessen schiefe Schichten um diesen
Betrag über das heutige Seeniveau emporreichen. Nachdem in der letzten Eiszeit die Eismassen des Aaregletschers das Thunerseebecken
ausgefüllt und vielleicht auch noch zum letztenmal vertieft hatten, ist dann in der Nacheiszeit bis zur Gegenwart die Aare
bestrebt gewesen, den Abfluss des Sees tiefer zu legen, während die unterhalb Thun einmündende Kander
im Verein mit der Zulg die Ebene der Allmend aufschüttete und den See thalaufwärts zurückdrängte. Oben aber schütteten Lombach
und Lütschine das Bödeli auf, wodurch der Thunersee vom Brienzersee abgetrennt wurde. Zur Zeit, da die ersten Urkunden uns
von der Ansiedelung der Menschen berichten, hat der See bereits im grossen Ganzen seine heutige Form und
Ausdehnung.
Das Seebecken erstreckt sich von der Einmündung der Aare bei Interlaken zunächst in ostwestl. Richtung, die dann in die SO.-NW.-Richtung
übergeht. Das Thal folgt auch in diesem Detail den tektonischen Verhältnissen der Umgegend, indem die Krümmung der Axe
wesentlich durch das Vortreten der in den See abbiegenden Niederhornkette und im weitern durch die Begrenzungslinie
der Stockhornüberschiebung gegeben ist. Die ebenfalls vom Gebirgsbau abhängige Gliederung der Ufer ist nicht sehr hervortretend.
Ausser dem Delta der Kander, das infolge seiner Flachheit landschaftlich sich kaum bemerkbar macht, sind es namentlich die
sog. Spiezerklippen, die Kuppen des Spiezerberges und der Burgfluh, welche die malerische Bucht einschliessen,
in der das Dorf Spiez liegt. Vor Därligen ist es der Bühlihubel, der Ausläufer des Buchholzkopfes, der als ein der Morgenberghornkette
vorliegendes Kreidekalkgewölbe einen Vorsprung in den See macht. Am rechten Seeufer treten zunächst die Deltas der von der
Blume herabkommenden Bäche mehr oder minder in den See vor (Goldiwilgraben, Riederenbach bei Oberhofen, Guntenbach
bei Gunten, Grönbach bei Merligen, Sundgraben bei Sundlauenen). Den grössten Vorsprung und die landschaftlich überhaupt imposanteste
Partie aber bildet die Niederhornkette zwischen Merligen¶
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und Sundlauenen. Die wichtigsten Ausmasse des Thunersees sind folgende: Seine Länge beträgt 18,2 km (also beinahe 4 Wegstunden);
Die grösste Tiefe beträgt 217 m; das Volumen
berechnet sich bei einem mittleren Wasserstand von 560,2 m auf 6,5 km3, woraus eine mittlere Tiefe von 135 m resultiert.
Das Seebecken ist, wie auch das Längenprofil zeigt, durchaus einheitlich und vom Wechsel der Thalrichtung keineswegs beeinflusst.
Der durch die Isobathe von 360 m begrenzte eigentliche Seeboden reicht im obern Teil des Sees bis zur Linie
Spiez-Gunten. Das rechte Seeufer ist im allgemeinen das steilere; zumal hinter Gunten und zwischen Merligen und Sundlauenen stürzt
das Ufer in einer Böschung zu 390 m ab. Immerhin fehlt die Wysse nur selten. Am obern Ende des Sees von Därligen bis
Neuhaus und ebenso unten von Scherzligen bis Gwatt, sowie oberhalb der Kandermündung bis zum Spiezberg ist sie sehr gut entwickelt,
ebenso im allgemeinen am linken Seeufer.
Deutlich prägt sich am obern Seeende im Verlauf der Tiefenkurven die Akkumulation des Lombaches aus, während die Ausmündung
der Aare, die, vom Brienzersee herkommend, kein Geschiebe führt, nur schwach als eine breite Rinne im
Seeboden sich abzeichnet. Eine Erscheinung der neuern Zeit im Relief des Seegrundes ist das Kanderdelta, das sich erst
seit der Einführung dieses Wildwassers in den Thunersee im Jahr 1714 gebildet hat. Der Verlauf der Tiefenkurve von 455 m
lässt vermuten, dass dieses Delta vorher nicht bestand (das alte interglaziale Delta liegt 40 m höher
und reicht nicht bis in den heutigen See hinaus); Lotungen vor dem Durchstich von 1714 bestätigen es. Der Kubikinhalt der
von 1714-1866 hier angeschwemmten Masse beträgt nach Steck 56760000 m3.
Der Zuwachs des Deltas beträgt jährlich rund 300000 m3, welches Material genügen würde, um in 16000 Jahren
den Thunersee auszufüllen, falls es sich über den ganzen See verbreiten könnte. Ausser der Kander kommt für die Sedimentation
etwa noch der Lombach in Betracht, der namentlich nach Gewittern im Einzugsgebiet (Habkernthal) sehr viel Geschiebe führt
und nach Heuscher jährlich etwa 15000 m3 Material im See absetzt. Die Aare bringt nur suspendierte
Stoffe.
Der Normalwasserstand des Sees ist 560,2 m. Im übrigen schwankt der Wasserspiegel je nach der Zufuhr. Vom Dezember bis März
ist der Seespiegel am niedrigsten und zugleich am konstantesten; hoch steht er von Juni bis August. Starke
Gewitter im Einzugsgebiet verursachen oft ein rasches Steigen. Die jährliche Amplitude beträgt wenig über einen Meter,
wie die folgende Tabelle extremster Hoch- und Niederwasserstände für die Zeit von 1884 bis 1897 nach der Darstellung des
eidg. Hydrometrischen Bureaus zeigt:
Hochwasserstände.
m
Niederwasserstände.
m
1884 Juli
560.65
1888 März
559.26
1885 Dezember
560.74
1890 März
559.30
1887 Dezember
560.43
1892 März
559.30
1889 Juli
560.56
1892 Dezember
559.30
1891 Juli
560.74
1893 Januar
559.19
1897 August
560.61
1894 Dezember
559.30
1895 Februar
559.10
Der
höchste Wasserstand innerhalb 14 Jahren (1885 und 1891 mit 560,74 m) weicht demnach nur um 54 cm
und der Minimalstand des gleichen Zeitraumes (1895 mit 559,10 m) um 1,1 m vom Normalwasserstand ab. Das sind geringe Beträge.
Da zudem nur am untern Ende des Sees eine flache Uferebene sich befindet (das Lombachdelta am obern Seeende steigt deutlich
an), sind die Ueberschwemmungen bei Hochwasser an Ausdehnung und Intensität unbedeutend. Sie machen
sich hauptsächlich bei Gwatt bemerkbar. Das war auch nicht immer so: vor der Ableitung der Kander in den Thunersee gehörten
infolge Stauung der Aare unterhalb Thun Ueberschwemmungen der untern Stadtteile nicht zu den Seltenheiten. Diese Uebelstände
führten ja gerade zur Verlegung des Kanderlaufes und zur Ablenkung dieses Wildwassers in den See.
Das eigentümliche Balancieren des Seespiegels, die sog. Seiches, ist auch am Thunersee beobachtet worden. Die Dauer der
Schwingung vom Hoch- zum Niederwasser beträgt nach Forel 18,6 Minuten. Der Betrag, um den der Wasserspiegel steigt und sinkt,
beträgt meist nur wenige Zentimeter.
Unter den Zuflüssen nimmt die erste Stelle ein die Aare, die nach fast 6 km langem Lauf mit 1‰ Gefälle
(Niveauunterschied der beiden Seen 6,2 m) sich in den Thunersee ergiesst. Dann kommt als zweiter bedeutender Zufluss die Kander,
hierauf der Lombach; die übrigen Zuflüsse, meist mit ausgesprochenem Wildbachcharakter, sind weniger bedeutend.
Es sind, am rechten Seeufer vom Lombach an gezählt: der Sundbach, der, von den Abhängen des Gemmenalphorns herkommend, bei
Sundlauenen einen schönen Schuttkegel angeschwemmt hat;
dann der interessante, bis nahe dem See unterirdisch laufende Beatenbach.
Nach einigen Bächen, die im Sommer meist ausgetrocknet sind, folgt bei Merligen der Grönbach, der Abfluss
des Justisthales. Unter den Bächen zwischen Merligen und Gunten ist der Stampbach durch seinen Wildbachcharakter bemerkenswert,
ebenso der bei Gunten mündende Guntenbach, der in seinem untern Teil in den Nagelfluhfelsen sich eine tiefe Schlucht gefressen
hat. Der Oertlibach und der Riederenbach bei Oberhofen, sowie der Abfluss des Goldiwilgrabens haben nur
kleine Schuttkegel aufgeworfen.
Am linken Seeufer beschränken sich die Zuflüsse, wenn wir von der Kander absehen, auf die «Bergstrecke» vom Faulensee bis
Därligen. Eine ganze Reihe von Bächen, die zumal zwischen Leissigen und Därligen den steilen Abhang des Leissiggrates entwässern,
sind als Zuflüsse ohne grosse Bedeutung und haben auch das Relief des Seegrundes nicht zu verändern
vermocht. Die Zuflussmenge, gemessen als Ausfluss aus dem See bei Thun, beträgt bei normalem Sommerwasserstand 210 m3 pro
Sekunde, kann aber bei starker Schneeschmelze im Hochgebirge oder bei Gewittern auf 380 m3 ansteigen. Im Gegensatz dazu
beträgt sie im Winter bei konstanter Kälte nur 20 bis 15 m3.
In Bezug auf die thermischen Verhältnisse des Sees ist zunächst festzustellen, dass der Thunersee nur sehr selten zufriert.
Er verhält sich hierin wie der Brienzersee. Bei beiden liegt die Ursache in der grossen mittlern Tiefe. Temperaturmessungen
in verschiedenen Tiefen sind von F. A. Forel und J. Heuscher ausgeführt worden. Ersterer fand am
Oberfläche 18 °C.;
See, See im schweiz. Kanton Bern,
in 560 m Höhe, ist 18 km lang, 3 km breit,
bis 216 m tief und 48 qkm groß. (S. Karte: Die Schweiz.) Er wird von der bereits durch den Brienzer See
(s. Brienz) geläuterten Aare durchströmt und nimmt zahlreiche Zuflüsse auf, darunter gegenüber Thun die Kander (s. Kanderthal).
Der See ist mehr von subalpinem Charakter, seine Ufer, von sanften Bergformen umrahmt, tragen Landhäuser und Gärten, nur
oberhalb Sigriswyl wird das nördl. Ufer etwas steiler.
Der See ist reich an Fischen, besonders Forellen, Aalen, Karpfen und Hechten. Dampfboote fahren von Thun
bis Interlaken; das Südufer begleitet die Thuner-See-Bahn (s. d.). Eine ältere Straße zieht das südliche, eine neuere das
nördl. Ufer entlang. Von den Uferorten sind zu erwähnen Schloß und Dorf Oberhofen (klimatischer
Kurort) auf dem rechten, Spiez, der Landungsplatz für das Kander- und Simmenthal, auf dem linken Ufer.
Unweit Merligen führt eine Drahtseilbahn nach Sankt
[* 6] Beatenberg (s. d.).