Treibeis
490 Wörter, 3'519 Zeichen
Im Meyers Konversations-Lexikon, 1888
Treibeis,
Im Brockhaus` Konversationslexikon, 1902-1910
Treibeis,
auch Trift- oder Drifteis genannt, die im Meer treibenden Eismassen. Teils entstammen sie den arktischen und antarktischen Gletschern, die ihre Eismassen direkt in das Wasser der Fjorde schieben, teils gefriert das Meerwasser selbst zu Schollen und Flarden. Jene Massen bilden die eigentlichen Eisberge (s. d.). Die Schollen werden wesentlich durch den Wind getrieben, zusammengeschoben und aufgestaut und bilden so das Packeis und die Eisfelder, womit der größte Teil der Polarmeere fortwährend bedeckt ist.
Die Ausbreitung des Treibeis
von den Polarmeeren nach niedrigern Breiten zu ist von den Meeresströmungen
[* 3] und vorherrschenden Windrichtungen
abhängig und deshalb in verschiedenen Jahren sehr verschieden; bisher ist es nur auf statist. Wege nach
zahlreichen Beobachtungen möglich gewesen, mittlere Grenzen
[* 4] zu bestimmen, innerhalb welcher der Seefahrer auf die besondere
Gefahr des Vorkommens von Treibeis
rechnen muß. Die äquatorialen Treibeisgrenzen finden sich auf allen Seekarten,
in vielbefahrenen Gewässern für die einzelnen Jahreszeiten
[* 5] gesondert, verzeichnet. Im Atlantischen Ocean (s.
die Karte: Meeresströmungen und Karte der Nordpolarländer)
[* 6] hält der Golfstrom einen großen Teil des
nördl. Gebietes vom Treibeis
frei; echtes arktisches Treibeis ist noch nie ostwärts
vom Golfstrom angetroffen worden.
Nur die Region südlich von den Neufundlandbänken, wo ihm der eisbeladene Labradorstrom in die Flanke fällt, ist reich an
solchem. Hier werden Eisberge und Schollen häufig im Frühling und Sommer von den Schiffen angetroffen.
Südlicher als
40° Nordbreite kommen Eisberge nur selten vor, die äußerste Grenze, bis zu der besonders massige Berge vorgedrungen
sind, liegt auf 37½° Nordbreite. Hauptgebiet der nördl. Treibeis
massen bleibt somit das Nordmeer
östlich von Spitzbergen, das Beringmeer, dessen Treibeis
höchstens bis 55° Nordbreite in den Stillen Ocean
vordringt, die Davisstraße und der Labradorstrom.
Auf der südl. Halbkugel (s. Karte der Südpolarländer,
[* 7] beim Artikel Südpolarländer) ist die Treibeis
bildung eine auffällig
unregelmäßige. Die kolossalen tafelförmigen treibenden Eisinseln dringen hier in den sog.
Eisjahren bis auf 35° Südbreite, in Sicht des Kaps der Guten Hoffnung vor, halten sich allerdings bei
Kap Hoorn auf 56° Südbreite; jedenfalls ist in allen Jahreszeiten auf den Segelrouten um diese Kaps und im südl. Indischen
Ocean auf der Route der «strammen Westwinde» nach Australien
[* 8] die Gefahr vorhanden, auf Treibeis
zu stoßen. Im Stillen Ocean ist
Treibeis
zwischen 45 und 50° Südbreite fast in allen Längen, am häufigsten zwischen 150 und 110° westl.
Länge zu treffen. Südöstlich von Neuseeland geht das Treibeis
am weitesten nach Norden;
[* 9] im Westen von Kap Hoorn wird ebenfalls
oft Treibeis
getroffen.
Die Annäherung von Treibeis
kündigt sich dem aufmerksamen Seemann schon auf größere Entfernungen
durch schnelle Temperaturabnahme der Meeresoberfläche an. Im Golfstrom an der Neufundlandbank können diese Sprünge in der
Wasserwärme auf 20-30 Seemeilen Entfernung 14-15° C. betragen. Zum Besten der Schiffahrt werden von dem Hydrographischen
Amt der Vereinigten Staaten
[* 10] von Amerika
[* 11] monatlich und von der deutschen Seewarte (s. d.) vierteljährlich
Eiskarten der Neufundlandbank veröffentlicht; außerdem warnen die nahe der Neufundlandbank passierenden
Schiffe
[* 12] sich gegenseitig mit Hilfe eines besondern Eissignalsystems, indem sie sich die Position (geogr. Länge und Breite)
[* 13] der etwa angetroffenen Eisberge mitteilen.