Titel
Universitäten
(lat., »Gesamtheiten«,
d. h. wissenschaftliche
Hochschulen), diejenigen öffentlichen Anstalten, auf denen die
Wissenschaften
vollständig und in systematischer
Ordnung gelehrt, auch die höchsten wissenschaftlichen (akademischen)
Würden
(Grade) erteilt
werden. Der lateinische
Name
Universitas bezeichnete ursprünglich nur die mit gewissen
Rechten ausgestattete
Körperschaft der
Lehrer und
Schüler (universitäten
magistrorum et scholarium); erst allmählich wurden auch die Lehranstalten als solche
(sonst: studium, studium generale) Universitäten
genannt und nachträglich dieser
Name auf den die Gesamtheit der
Wissenschaften umfassenden
Lehrplan der
Hochschulen gedeutet.
Die abendländischen Universitäten
sind Erzeugnisse des spätern
Mittelalters, doch haben ältere Vorbilder auf ihre Entstehung mehr
oder weniger eingewirkt. Als solche sind zunächst die großen Lehranstalten des spätern
Altertums zu nennen:
das von
Ptolemäos
Philadelphos um 280
v. Chr. gegründete Museion zu
Alexandria, die Philosophenschule zu
Athen,
[* 3] anstaltlich
verfaßt namentlich durch
Kaiser
Hadrian und
Herodes Attikus (130
n. Chr.), und die nach diesen
Mustern gebildeten Athenäen zu
Rom
[* 4] (135),
Lugdunum
(Lyon),
[* 5]
Nemausus
(Nîmes),
Konstantinopel
[* 6] (424).
Ferner kommen in Betracht die arabischen
Medressen (s. d.),
unter denen im frühern
Mittelalter die zu
Cordova,
Toledo,
[* 7]
Syrakus,
[* 8]
Bagdad,
Damaskus hohen
Ruf genossen.
Unmittelbarer schlossen die ersten Universitäten
sich an die alten
Kloster- und
Domschulen an, unter denen schon seit dem 8. und 9. Jahrh.
einzelne, wie z. B.
Tours,
[* 9] St.
Gallen,
Fulda,
[* 10]
Lüttich,
[* 11]
Paris,
[* 12] als scholae publicae von auswärts zahlreiche
Schüler
an sich gezogen hatten. Demgemäß erscheinen die Universitäten
bis ins 15. Jahrh.
ausschließlich als kirchliche Anstalten, die sich an ein
Domkapitel, Kollegiatstift u. dgl. anzuschließen
und auf
Ausstattung mit kirchlichen
Pfründen zu stützen pflegen.
Die ersten Universitäten
, welche nach heutigem Sprachgebrauch jedoch nur einzelne
Fakultäten waren, finden wir im 11. Jahrh.
in
Italien;
[* 13] es waren die
Rechtsschulen zu
Ravenna,
Bologna
(Bononia) und
Padua
[* 14] und
die medizinische
Schule zu
Salerno. Festere korporative
Verfassung als
Hochschule, obwohl immer noch klerikaler Art, errang zuerst die Universität zu
Paris, die seit dem 12. Jahrh.
die
Führung auf dem Gebiet der
Theologie und
Philosophie übernahm und als die eigentliche
Heimat der
Scholastik
bezeichnet werden muß.
Die Universität zu
Paris wurde Ausgangspunkt und
Muster für fast alle abendländischen Universitäten
, besonders die englischen, unter
denen
Oxford
[* 15] durch eine
Auswanderung aus
Paris unter der
Königin Blanka von
Kastilien (1226-36) mindestens erst zu höherer Bedeutung
gelangte, und die deutschen. Eine mit besondern staatlichen und kirchlichen Privilegien ausgestattete
Körperschaft bildeten freilich schon früher die
Juristen in
Bologna. Als die Bedeutung derartiger gelehrter
Körperschaften
für das geistige
Leben der
Völker wuchs, nahmen die
Päpste die Schutzherrschaft über die neuen Anstalten in Anspruch und
dehnten den besondern
Gerichtsstand, welchen die
Kirche für ihre
Angehörigen besaß, auch auf die weltlichen
Universitätsgenossen aus. - Die innere
Organisation der Universitäten
war auf die Verschiedenheit der
Nationalitäten gegründet, wobei
sich die kleinern an eine der größern anschlossen. So entstand in
Paris die
Einteilung in vier
Nationen: Gallikaner (zu denen
sich auch
Italiener,
Spanier, Griechen und
Morgenländer hielten),
Picarden,
Normannen und
Engländer (welche
auch die
Deutschen und übrigen
Nordländer zu sich zählten).
Diese Einteilung wird jedoch erst 1249 erwähnt. Zu den Nationen gehörten sowohl Schüler als Lehrer. Jede hatte ihre besondern Statuten, besondere Beamten und einen Vorsteher (Prokurator). Die Prokuratoren wählten den Rektor der Universität. Papst Honorius verordnete 1219, daß nur diejenigen Gelehrten zu Lehrern wählbar wären, welche vom Bischof oder vom Scholastikus des zuständigen Stifts die Lizenz dazu erhalten hätten. Allmählich entstanden jedoch zunftartige Verbände unter den Lehrern (magistri, Meistern) der Theologie, der Jurisprudenz und der Medizin, die als geschlossene Kollegien zuerst 1231 von Gregor IX. in Paris anerkannt und ordines oder facultates, Fakultäten, genannt wurden.
Gegen die Einteilung in Fakultäten trat allmählich die ältere in Nationen zurück. Etwas später nahm auch das Kollegium der Artisten, d. h. der Lehrer der sieben »freien Künste«, die Verfassung einer vierten Fakultät an. Die Aufgabe dieser Fakultät, der jetzigen philosophischen, bestand jedoch bis tief in die neuere Zeit hinein nur in der Vorbildung für das Studium in einer der höhern Fachwissenschaften. Ihre Lehrer waren nicht selten Scholaren in einer der obern Fakultäten. - Vorrecht der Fakultäten ward bald die Verleihung akademischer Grade. In Paris waren drei Hauptgrade, die der Bakkalarien (Bakkalaureen), Lizentiaten und Magister (Meister).
Die Bakkalarien wurden von den einzelnen
Magistern ernannt; der
Grad eines
Lizentiaten wurde nach einer
Prüfung durch die Fakultätsmeister
von seiten der
Kanzler oder
Bischöfe erteilt, die aber zuletzt bloß ihre Bestätigung gaben. Nur die
Magister hatten das uneingeschränkte
Recht, als
Lehrer ihrer
Fakultät aufzutreten. Sie hießen auch oft
Doktoren. In
Deutschland
[* 16] ernannten (promovierten,
krëierten) die drei alten oder obern
Fakultäten
Doktoren, die der freien
Künste
Magister. Die
Promotionen fanden meistens unter
festlichem Gepränge statt; als Zeichen der
Würde wurde dem Promotus der Doktorhut überreicht. - Ein drittes für die mittelalterliche
Verfassung der Universitäten
wichtiges
Institut waren die
¶
mehr
Kollegien oder Kollegiaturen, ursprünglich kirchliche Anstalten, in welchen Studierende freien Unterhalt, Lehre
[* 18] und Beaufsichtigung
fanden. Eins der ersten Universitätskollegien war die berühmte Pariser Sorbonne (s. d.), gegründet um 1250 von Robert de Sorbon,
Kaplan Ludwigs IX. Den öffentlichen Kollegien traten, wo sie dem Bedürfnis nicht genügten, auch private Unternehmen ähnlicher
Art zur Seite, die auf Beiträge der Insassen begründet und von einzelnen Universitätslehrern geleitet
waren. Solche Bursen (bursae, davon Burschen) waren vorzugsweise in Deutschland verbreitet. Das Kollegienwesen entwickelte
sich am reichsten in Frankreich und England, wo auch der Unterricht zumeist in die Kollegien sich zurückzog. Gegenwärtig bezeichnet
man an deutschen Universitäten
die Vorlesungen der Lehrer als Kollegien, ohne dabei an die geschichtliche Herkunft
dieser Bezeichnung zu denken. - Neben dem festern Kern jener Bursen und Kollegien bevölkerten die Universitäten
des Mittelalters die sogen.
fahrenden Schüler, eine bunt gemischte, wandernde Gesellschaft, in welcher die verschiedensten Alters- und Bildungsstufen zusammentrafen
(s. Vaganten). In ihrem Schoß bildeten sich zuerst in rohen Umrissen die Anfänge der studentischen Sitten
heraus, die sich teilweise bis heute erhalten haben; so die Gewalt der ältern Studenten (Bacchanten) über die jüngern (Schützen,
Füchse).
Nach Deutschland übertrug das Universitätswesen Karl IV. durch die Gründung der Universität Prag [* 19] 1348 (vier Nationen: Böhmen, [* 20] Polen, Bayern, [* 21] Sachsen). [* 22] Bis zum Anfang der Reformation folgten mit päpstlicher und kaiserlicher Genehmigung: Wien [* 23] (1365), Heidelberg [* 24] (1386), Köln [* 25] (1388), Erfurt [* 26] (1392), Leipzig [* 27] (1409), Rostock [* 28] (1419, 1432), Löwen [* 29] (1426), Greifswald [* 30] (1456), Freiburg [* 31] i. Br. (1456), Basel [* 32] (1456), Ingolstadt [* 33] (1472), Trier [* 34] (1473), Mainz [* 35] (1476), Tübingen [* 36] (1477), Wittenberg [* 37] (1502) und Frankfurt [* 38] a. O. (1506). Die kräftigere Entwickelung des Landesfürstentums im 15. Jahrh. und die humanistische Bewegung halfen die Bande lockern, durch welche die Hochschulen an die kirchlichen Autoritäten geknüpft waren.
Das Reformationsjahrhundert brachte eine Reihe neuer Universitäten
, welche bestimmungsgemäß evangelischen (lutherischen oder calvinischen)
Charakter hatten, so: Marburg
[* 39] (1527), Königsberg
[* 40] (1544), Jena
[* 41] (1558), Helmstädt (1575), Gießen
[* 42] (1607), Rinteln
(1619), Straßburg
[* 43] (1621). Eine eigentümliche Mittelform zwischen Universitäten
und sogen.
lateinischen Schulen (Gymnasien) bildeten in jener Zeit die akademischen Gymnasien oder gymnasia illustria, die von Freien
Städten (Straßburg 1537, Hamburg
[* 44] 1610, Altdorf-Nürnberg 1578) und kleinern Landesfürsten (Herborn 1584 etc.) begründet wurden,
um dem Auswandern der Landeskinder vorzubeugen.
Mehrere dieser akademischen Gymnasien, wie Straßburg (1621), Altdorf (1623), Herborn (1654), entwickelten sich später zu wirklichen
Hochschulen. Während im protestantischen Norden
[* 45] die Universitäten
im allmählichen Übergang Staatsanstalten mit einer gewissen korporativen
Selbständigkeit wurden, blieben die neuen jesuitischen Universitäten
, wie Würzburg
[* 46] (1582), Graz
[* 47] (1586), Salzburg
[* 48] (1623), Bamberg
[* 49] (1648),
Innsbruck
[* 50] (1672), Breslau
[* 51] (1702), nach deren Muster auch mehrere der schon bestehenden katholischen Universitäten umgestaltet
wurden, dem ältern Typus im wesentlichen treu. - Auf den protestantischen Universitäten beginnt in dieser Periode die eigentliche Geschichte
des deutschen Burschentums.
Thätige Teilnahme der Studierenden an der Verwaltung der Universitäten fand nicht mehr statt; die Wahl junger studierender Fürsten zu Rektoren war bloße Form, da die wirklichen Geschäfte von Prorektoren, die aus der Zahl der Professoren erwählt waren, geführt wurden. Statt dessen bildete die Studentenschaft für sich eine Art von Verfassung heraus, die ihre Grundzüge teils aus dem mittelalterlichen Herkommen, teils aus den öffentlichen Zuständen der Zeit entnahm. Das Landsknechtwesen, die fortwährenden Feldzüge, namentlich der Dreißigjährige Krieg, nährten auf den Hochschulen einen Geist der Ungebundenheit, welcher das in seinen letzten Ausläufern noch an die Gegenwart heranreichende Unwesen des Pennalismus (s. d.) erzeugte.
Auch kam damals an den deutschen Universitäten das Duell auf, indem die Studierenden sich mehr und mehr als geschlossener Stand fühlten, in dem der Begriff der Standesehre Geltung gewann. Auf manchen Universitäten gab es daneben noch Nationalkollegia als eine von den akademischen Behörden angeordnete oder geduldete Einteilung der Studentenschaft. Zum Teil in Verbindung hiermit, zum Teil aber auch selbständig entwickelten sich nun die Landsmannschaften, welche zu Ende des 17. und das ganze 18. Jahrh. hindurch das studentische Leben der deutschen Universitäten beherrschten.
Als förmliche Verbindungen mit besondern Statuten, Vorstehern (Senioren) und Kassen erlangten sie bald das Übergewicht über die keiner Verbindung angehörigen Studierenden (Finken, Kamele, [* 52] Wilde, Obskuranten etc.), maßten sich die öffentliche Vertretung der Studierenden und damit zugleich eine gewisse Gerichtsbarkeit über dieselben an. Über die Ehrensachen wie über die studentischen Gelage etc. wurden feste Regeln aufgestellt, welche man unter dem Namen Komment zusammenfaßte.
Der Druck, den die Landsmannschaften auf die Nichtverbindungsstudenten ausübten, war oft sehr hart. Viele der Wilden schlossen sich den Verbindungen als sogen. Renoncen (Konkneipanten) an, welche sich bloß unter den Schutz der Verbindung stellten, eine Abgabe zahlten und den Komment anerkannten. Die höchste Instanz für jede Universität bildete der Seniorenkonvent, der namentlich den Verruf gegen Philister, d. h. Bürger, oder auch gegen Studenten auszusprechen und das öffentliche Auftreten der Studentenschaft zu ordnen hatte. - Ebenso fällt in diese Zeit (von 1500 bis 1650) die Entwickelung des akademischen Lehrkörpers zu der im wesentlichen noch heute geltenden Verfassung.
Danach bilden die ordentlichen Professoren (professores publici ordinarii) als vollberechtigte Mitglieder der vier Fakultäten den akademischen (großen) Senat. Aus ihrer Mitte wählen im jährlichen Wechsel die ordentlichen Professoren der einzelnen Fakultäten (ordines) die vier Dekane und sämtliche ordentliche Professoren den Rector magnificus, der an einigen Universitäten auch Prorektor heißt, indem der Landesherr oder ein andrer Fürst als Rector magnificentissimus gilt.
Außerhalb des Senats stehen die außerordentlichen Professoren (professores publici extraordinarii), welche meist kleinere Gehalte vom Staat beziehen, und die Privatdozenten (privatim docentes), welche nur die Erlaubnis (veniam docendi), nicht aber die amtliche Pflicht, zu lehren, haben. Der Senat, dem der Staat einen ständigen juristischen Beamten als Universitätsrichter (Universitätsrat) oder Syndikus beigibt, ist Verwaltungs- und Disziplinarbehörde der Universität und übt seine Rechte, abgesehen von den Plenarsitzungen, entweder durch den Rektor und die Dekane oder auch durch einzelne Ausschüsse aus. Der Rektor und die Dekane bilden, meist mit einigen gewählten Beisitzern, den engern oder kleinern Senat. ¶
mehr
Ehedem hatten die Universitäten auch durchweg eignen Gerichtsstand; die darauf begründeten besondern Universitätsgerichte sind völlig erst durch die neue Gerichtsverfassung von 1879 im Gebiet des Deutschen Reichs verschwunden. - Von der allgemeinen Erschlaffung des geistigen Lebens, welche in Deutschland nach dem frischen Aufschwung des Humanismus und der Reformation eintrat, namentlich aber durch die Leiden [* 54] des Dreißigjährigen Kriegs befördert wurde, blieben auch die Universitäten nicht verschont.
Sie machte sich in ihnen durch die Herrschaft einer geistlosen Pedanterie und starren Gelehrsamkeit neben großer Roheit der Lebensformen und leidenschaftlicher Rechthaberei namentlich in den theologischen Fakultäten geltend (rabies theologorum, Melanchthon). Unter den Männern, die gegen Ende des 17. Jahrh. diesen Übelstand zu bekämpfen suchten, sind namentlich Erhard Weigel in Jena, G. W. Leibniz und vor allen andern Chr. Thomasius (s. d.) hervorzuheben.
Durch Thomasius ward Halle [* 55] (1694) gleich von der Gründung an die Heimat der akademischen Neuerer, wo, wenigstens im Gegensatz gegen die starre Orthodoxie und Gelehrsamkeit der ältern Universitäten, die Pietisten der theologischen Fakultät mit ihm zusammentrafen. Hier wurden von Thomasius zuerst Vorlesungen in deutscher Sprache [* 56] gehalten, auch erschien unter seiner Leitung in Halle die erste kritische akademische Zeitschrift. Unter den ältern Universitäten hatte sich Helmstädt am freiesten von den Gebrechen der Zeit erhalten, dem aber im folgenden Jahrhundert in der Universität Göttingen [* 57] (1734 gegründet, 1737 eingeweiht) eine siegreiche Nebenbuhlerin erwuchs.
Göttingen schwang sich durch reiche Ausstattung und verständige, zeitgemäße Einrichtung bald zur ersten Stelle unter den deutschen Universitäten auf; hier wurde zuerst eine Akademie (Societät) der Wissenschaften, wie sie nach Leibniz Angaben bereits in Berlin [* 58] (1700) gegründet worden, mit der Universität verbunden (1752 durch den verdienten Stifter der Universität Göttingen, Gerlach Adolf v. Münchhausen, und Albrecht v. Haller). Diesem Zeitraum verdanken ferner noch Herborn (1654), Duisburg [* 59] (1655), Kiel [* 60] (1665) und Erlangen [* 61] (1743) ihre Gründung.
Unter den Studenten entstanden im Lauf des vorigen Jahrhunderts neben den Landsmannschaften andere Verbindungen, sogen. Orden, [* 62] welche sich im philanthropischen Geschmack der Zeit auf die Freundschaft gründeten und die Beglückung der Menschheit als ihr Ziel aufstellten. Da sie von den Freimaurern und andern damals emporblühenden geheimen Gesellschaften allerlei heimliche Symbolik entlehnten und im Geist Rousseaus für die Freiheit schwärmten, erschienen sie bald der Staatsgewalt gefährlich.
Besonders ist hier der 1746 in Jena begründete Moselbund zu nennen, der sich 1771 mit der Landsmannschaft der Oberrheiner zum Amicistenorden verschmolz. Die strengen Verbote, die zumal infolge des Rechtsgutachtens von 1793, das der Reichstag zu Regensburg [* 63] erließ, die Orden trafen, bewirkten deren allmähliche Vereinigung mit den Landsmannschaften, bei denen nach und nach der landsmannschaftliche Charakter hinter dem einer auf Freundschaft und Gemeinsamkeit der Grundsätze begründeten Gesellschaft zurücktrat.
Die Stürme der Napoleonischen Kriege und die Zeit der Wiedergeburt brachten mannigfache Veränderungen im Bestand der deutschen Universitäten. Die Universität zu Ingolstadt siedelte 1802 nach Landshut [* 64] über, um 1826 nach München [* 65] verlegt und mit der dort seit 1759 bestehenden Akademie der Wissenschaften vereinigt zu werden; die Universitäten zu Mainz (1798), Bonn [* 66] (Köln, verlegt 1777, aufgehoben 1801), Duisburg (1802), Bamberg (1804), Rinteln und Helmstädt (1809), Salzburg (1810), Erfurt (1816), Herborn (1817) gingen ein; Altdorf ward mit Erlangen (1807), Frankfurt a. O. mit Breslau (1809), Wittenberg mit Halle (1815) vereinigt. Dagegen traten neu die bedeutenden Universitäten zu Berlin (1810) und Bonn (1818) ins Leben. - Das Menschenalter von 1815 bis 1848 war für die deutschen Universitäten kein günstiges, indem sie bald nach der Befreiung des Vaterlandes, für welche Lehrer und Schüler namentlich der preußischen Universitäten die hingebendste Begeisterung gezeigt hatten, bei den Regierungen in den Geruch des Liberalismus kamen und unter diesem Mißtrauen sehr zu leiden hatten. Den Anstoß dazu gaben die von F. L. Jahn angeregte Gründung der deutschen Burschenschaft (s. d.) und besonders die bekannte Wartburgfeier der Burschenschaft sowie die der letztern zur Last gelegte Ermordung Kotzebues durch Sand, auf welche die unter Metternichs Leitung stehenden deutschen Regierungen durch die Karlsbader Beschlüsse über die in Ansehung der Universitäten zu ergreifenden Maßregeln antworteten.
Zwar löste sich die deutsche Burschenschaft förmlich auf; sie bestand aber im stillen fort und trat in verschiedenen Gestalten (z. B. als Allgemeinheit in Erlangen etc.) immer wieder hervor, bis sie sich 1830 in die beiden Richtungen der harmlosern, idealistischen Arminen und der revolutionär-patriotischen Germanen spaltete. Dem entsprechend, blieb auch das Mißtrauen der Regierungen gegen den Stand der Universitätslehrer ein dauerndes, und gerade solche Männer, deren Namen eng und ehrenvoll mit der Geschichte der Befreiung des Vaterlandes verknüpft waren, wie namentlich E. M. Arndt in Bonn, hatten kränkende Zurücksetzung und Verfolgung aller Art zu erleiden.
Jede Universität wurde von einem besondern Regierungsbevollmächtigten in politischer Hinsicht überwacht. Wenn das unruhige Jahr 1830 vorübergehend die Fesseln lockerte, so hatten die Ausschreitungen, mit denen der verhaltene Groll sich Luft machte (Göttinger Revolution und Stuttgarter Burschentag 1831, Hambacher Fest 1832, Frankfurter Attentat 1833), nur um so strengere Beschlüsse gegen die Universitäten beim Bundestag und auf den Ministerkonferenzen in Wien 1833 bis 1834 zur Folge.
Großes Aufsehen erregte 1837 die Entlassung und Vertreibung von sieben der bedeutendsten Professoren der stets für konservativ und aristokratisch angesehenen Universität Göttingen (s. d.). Unter der Ungunst der Zeit zerfiel nach und nach die Burschenschaft in einzelne Verbindungen, welche sich der ursprünglichen Gestalt derselben mehr oder weniger annäherten. Unter diesen traten in den 40er Jahren vorzüglich die sogen. Progreßverbindungen hervor, welche Modernisierung der akademischen Einrichtungen und Sitten, Abschaffung oder doch Beschränkung der Zweikämpfe, der akademischen Gerichtsbarkeit etc. erstrebten.
Als besondere Abart entstanden auch in jener Zeit eigne »christliche« Burschenschaften, wie der Wingolf in Erlangen (1836) und Halle (1844). Den Progressisten standen am schroffsten gegenüber die aus den Landsmannschaften durch genauere Ausbildung des Komments, festern Zusammenschluß nach innen und aristokratische Abschließung nach außen sich entwickelnden Corps, welche durch ihren Seniorenkonvent (»S. C.«) an der einzelnen Universität, durch Kartellverhältnisse und später durch den im Bad [* 67] Kösen und auf der Rudelsburg tagenden Seniorenkongreß in ganz ¶
Im Brockhaus` Konversationslexikon, 1902-1910
Titel
Universitäten,
Hochschulen oder Hohe Schulen, die oberste Stufe der Unterrichtsanstalten. Sie unterscheiden sich von
andern Schulen durch die freiere Stellung der Schüler (Studenten) und durch die wissenschaftliche Haltung des Unterrichts.
Der Name Universität wird jetzt auf die Gesamtheit (lat. universitas
) aller Wissenschaften
bezogen; man fordert deshalb, daß an einer Universität alle Fakultäten vertreten sein müssen, und spricht sonst von unvollständigen
Im Mittelalter, als die entstanden, bezeichnete dieses Wort dagegen die Korporation der an der Hochschule beteiligten Personen,
zunächst der Lehrer und Schüler. Diese faßte man entweder unter der gemeinsamen Bezeichnung scholares
zusammen oder man gebrauchte scholares (oder studentes) im engern Sinne für die Schüler allein, und sprach je nachdem von
der universitas
scholarium oder von der universitas magistrorum et scholarium.
Geschichte.
1) Mittelalter. Mit den Schulen des Altertums haben die keinen Zusammenhang, wenn auch die gleiche Aufgabe hier und da bereits im Altertum, namentlich in der röm. Kaiserzeit z. B. in Athen, Einrichtungen hervorrief, die mit den des Mittelalters Ähnlichkeit [* 68] zeigen. Die des Mittelalters waren ein Produkt des wissenschaftlichen Lebens, das im 9. und 10. Jahrh. beginnend, sich im 11. und 12. bedeutend steigerte. Um die Mitte des 12. Jahrh. waren Bologna und Paris die berühmtesten Mittelpunkte dieses Treibens, und zwar blühten in Paris die philos.-theol.
Studien, in Bologna die juristischen. In diesen Orten zeigte sich um die Wende des 12. und 13. Jahrh. das Bedürfnis, die Rechtsverhältnisse dieser vielleicht nach Tausenden zählenden Massen von jungen, anspruchsvollen, genußkräftigen, aber oft mittellosen oder doch von ihren Hilfsquellen entfernten Männern in festen Formen zu regeln und zugleich ihren Studiengang, vor allem die Willkür zu beseitigen, mit der bis dahin jeder beliebige Scholar nach kurzen Studien als Lehrer auftrat. Das erste und einflußreichste Privileg erließ für sie Kaiser Friedrich I. 1158, die Authentica Habita quidem, die er in das Corpus juris einreihen ließ, sodann erwarben sich mehrere Päpste Verdienste um diese Entwicklung, vor allem Alexander III. und Honorius III. Die des Mittelalters zerfielen der Verfassung nach in drei Gruppen:
a. Die Stadtuniversitäten Italiens.
[* 69] Der Magistrat hatte die Oberleitung, durch seine Autorität erlangten
die von der universitas
erlassenen Statuten Gesetzeskraft, er bestimmte und bezahlte die Gehalte der Professoren, strafte
das Aussetzen von Vorlesungen, das Überspringen von Abschnitten, wie das Nichtbeendigen der Vorlesungen durch Einbehalten
des Gehalts, und erließ auch methodische Vorschriften gegen das Diktieren, gegen das Auskramen unnützer
Gelehrsamkeit u. s. w. An manchen Orten und zu manchen Zeiten trat dieser Einfluß stärker hervor, an andern, wie in Bologna,
war die Leitung mehr Sache der universitas
und der Doktorenkollegien. In Bologna bezahlte der Magistrat auch erst im 14. Jahrh.
den Professoren Gehalt, was die andern Städte bereits im 13. Jahrh. thaten.
Neben Bologna waren es Padua, Modena, Reggio, Perugia, Florenz, [* 70] Siena, Vercelli, Pisa, [* 71] Arezzo, Piacenza, Parma [* 72] u. a. Bologna stritt vielen dieser Städte das Recht ab, Schulen für das Corpus juris zu haben, indem es eine Stelle der Constitutio: «Omnem reipublicae», in welcher Kaiser Justinian Anordnungen über die Rechtsschulen seines Reichs getroffen hatte, gewaltsam interpretierte. Diese Theorie ist nicht durchgedrungen, hat aber dazu beigetragen, die Vorstellung zu bilden, daß ein studium generale durch eine der universalen Gewalten, Papst oder Kaiser, privilegiert werden müsse. Im 14. und 15. Jahrh. gelangte diese Theorie mehr und mehr zur Herrschaft, namentlich bei den Gründungen der deutschen ital. Städte haben sich dagegen auch im 17. Jahrh. für befugt erachtet, studia generalia einzurichten.
Doch mußten etwa seit der zweiten Hälfte des 14. Jahrh. die Städte für ihre neu gegründeten studia generalia das jus
doctorandi vom Kaiser oder vom Papst erbitten. Für die Kenntnis der Verfassung dieser Gruppe sind besonders
wichtig der Kontrakt, den die Stadt Vercelli 1228 mit mehrern universitates
scholarium abschloß, und die einander nahe verwandten
Statuten von Bologna («Statuti delle Università
e dei Collegi dello Studio Bolognese», hg. von C. Malagola, Bologna 1888),
von Padua (hg. von Denifle im «Archiv für Litteratur und Kirchengeschichte des Mittelalters», Bd. 6, Freib. i. Br. 1892),
von Perugia (hg. von Padelletti in den «Documenti ¶
mehr
inediti per servire alla storia delle Università
italiane», Bologna 1872, dazu die von A. Rossi in dem «Giornale di erudizione
artistica», Bd. 4, herausgegebenen Urkunden von Perugia) und von Florenz (mit zahlreichen Urkunden begleitet hg. in den «Documenti
di storia italiana», Bd. 7, 1881, von Gherardi und Morelli).
b. Die Kanzleruniversitäten. In Frankreich und England lehnte sich die Ausbildung der an die Bischöfe,
Domkapitel und andere kirchliche Behörden an. In Paris, Oxford und andern Orten führte der bezügliche Prälat, der den Einfluß
der Kirche auf die Leitung der Schule vertrat, den Titel Cancellarius, in Angers und einigen andern wurde
er Scholasticus genannt. Sie hatten bei den Prüfungen den Vorsitz zu führen und die Licenz zu erteilen. In dieser Form wurde
das Kanzleramt 1219 auch in Bologna eingeführt und ging so auf die andern Stadtuniversitäten über, erlangte hier aber nicht
die Bedeutung wie in Frankreich und England. In Paris bestand ein wesentlicher Teil der geschichtlichen
Entwicklung der in den Kämpfen zwischen der universitas
und dem Kanzler. Übrigens war die Stellung der Kanzler an diesen
Frankreichs und Englands auch noch sehr verschiedenartig. In Montpellier
[* 74] war sie wesentlich anders als in Paris, wieder anders
in Oxford, in Angers, in Lerida u. s. w. An vielen wie Paris, Oxford u. s. w., wurde den Professoren kein
Gehalt gezahlt, als Ersatz dienten neben dem Honorar kirchliche Pfründen und die Stellen in den collegia (studia) dotata.
-
Vgl. Buläus, Historia universitatis
Parisiensis (6 Bde., Par.
1665-73);
Jourdain, Index chartarum pertinentium ad historiam universitatis
Parisiensis (1862);
Denifle und Chatelain, Chartularium universitatis Parisiensis (2 Bde., 1889);
Thurot, De l’organisation de l’enseignement de l’université de Paris au moyen âge (1850);
Laval, Cartulaire de l’université d’Avignon (Avignon 1884);
Rangeard, Histoire de l’université d’Angers (2 Bde., 1868-77);
M. Fournier, Les statuts et privilèges des universités françaises (3 Bde., 1889) fg.).
c. Die Staatsuniversitäten. Kaiser Friedrich II. gründete in Neapel [* 75] eine Universität, deren Lehrer wesentlich den Charakter von staatlichen Beamten trugen. Der Staat gründete und regelte die zahlte die Gehälter und verbot den Söhnen des Landes, eine auswärtige Universität zu besuchen. (Vgl. Winkelmann, Über die ersten Staatsuniversitäten, Heidelb. 1880.) Diesem Standpunkt näherten sich vielfach die span. Könige des Mittelalters bei Gründung und Leitung der Sonst folgten die spanischen in manchen Stücken dem Muster von Bologna, in andern dem von Paris und Toulouse, [* 76] aber mit charakteristischen Änderungen.
Seit dem 14. Jahrh. machten auch die Könige von Frankreich und England ihre Gewalt über die ihrer Länder stärker geltend, aber es erhielt sich schließlich doch ein gut Teil der selbständigen Verwaltung als ein allgemein anerkanntes Merkmal der In Deutschland wurden zwischen 1347 und 1506 in etwa 20 Städten gegründet nach dem Muster der französischen und der italienischen, vorzugsweise nach Paris. Doch waren es keine bloßen Nachbildungen, sie bilden eine Stufe der Entwicklung der Prag, Wien, Heidelberg, Köln, Erfurt, Würzburg, Leipzig, Rostock, Greifswald, Freiburg, Basel, Ingolstadt, Trier, Tübingen, Mainz, Wittenberg und Frankfurt a. O. Dazu die Versuche in Culm, [* 77] Lüneburg [* 78] und Breslau.
Von Anfang an bildeten sich Anstalten, um armen Scholaren Kost und Wohnung zu verschaffen, Collegia genannt; in umfassender Weise geschah dies noch im Laufe des 13. Jahrh. von den Dominikanern. Sie gründeten ein System von stufenweise einander folgenden Lehranstalten, deren obere Stufen sich an manchen Universitätsorten in die einfügten. In diesen Anstalten hielten sie Scholaren und Magister in sorgfältiger Aufsicht und sicherten sie vor dem Elend der selbst für ihren Unterhalt sorgenden Scholaren.
Wohl unter dem Einfluß dieses Beispiels wurden namentlich zwischen 1250-1350 an den zahlreiche und großartige collegia oder studia dotata gegründet, welche in Oxford, Cambridge, Paris und andern Orten allmählich den größten Teil der Scholaren aufnahmen und zugleich zahlreichen Professoren mit einer Pfründe einen Lehrauftrag erteilten (s. College). In manchen Beziehungen lösten sie so die in eine Reihe von kleinen, nur lose verbundenen Lehranstalten auf. Eins der frühesten und zugleich der berühmtesten dieser collegia war die Sorbonne in Paris. Teilweise private Unternehmen waren die Bursen (s. d.). Gegenwärtig bezeichnet man mit Kollegium (s. d.) die Vorlesung eines Lehrers an der Universität.
Man unterschied bereits im 12. Jahrh. mehrere, meistens fünf Fakultäten: Theologie, kanonisches Recht, röm. Recht, Medizin, Philosophie (artes liberales). Doch wurde bisweilen die Medizin zu der Philosophie gerechnet, bisweilen dagegen auch die Philosophie noch weiter gespalten, und namentlich die Anfänge der Grammatik als besonderes Fach abgeschieden. Das Vorhandensein aller Fakultäten wurde im Mittelalter nicht erfordert, namentlich fehlte die theol.
Fakultät vielen berühmten Zum Studium des kanonischen Rechts, der Theologie und der Medizin ging man meistens erst über, nachdem man die artes studiert hatte, deshalb nannte man die philos. Fakultät, früher facultas artium, Artistenfakultät (s. Freie Künste) genannt, die untere, die andern die obern. An den Italiens, welche vorzugsweise Rechtsschulen waren, wurden jedoch für den Beginn des jurist. Studiums nur die elementaren Vorkenntnisse gefordert. Man konnte in Bologna mit 10 und 12 Jahren Student der jurist. Fakultät sein und mit 20 Jahren den jurist. Doktor machen, während in Paris für das Magisterexamen in den artes das 21. Jahr verlangt wurde.
Die Fakultäten verliehen die akademischen Grade. Die Titel Doktor (s. d.) und Magister (s. d.) bezeichneten noch im 12. Jahrh. nur die Lehrthätigkeit, die formelle Verleihung entwickelte sich in den beiden ersten Decennien des 13. Jahrh.; darauf wurde es üblich, den Übergang vom Scholaren zum vollberechtigten Lehrer in Vorstufen zu zerlegen, die des Baccalaureus (s. d.) und Licentiaten (s. d.), die an einigen früher, an den italienischen erst im 15. Jahrh., zu förmlich anerkannten Graden wurden. Diesen ältern Scholaren fiel ein Teil der Disputationen und Vorlesungen zu. Das jus ubique docendi (Recht, überall zu lehren) der Doktoren wurde nicht von allen anerkannt.
Die Studenten waren teils Knaben von 12, ja von 10 Jahren, teils Jünglinge und Männer. (S. Bacchanten.) In Bologna wuchs ihre Zahl Anfang des 13. Jahrh. angeblich auf 10000, und von Oxford werden ähnliche Zahlen berichtet; jedenfalls waren in Paris und einigen andern zeitweise mehrere Tausende. Ein großer Teil der Studenten bestand aus Geistlichen (seculares und regulares), daher nannte ¶
mehr
man sie auch clerici. Es fehlte auch nicht an Laien, aber auch in Bologna waren die Geistlichen so zahlreich, daß mit Rücksicht darauf bestimmt wurde, der Rektor müsse ein Geistlicher sein. Das Leben der Scholaren war vielfach sehr wüst; das prägt sich aus in zahlreichen Klagen der Behörden und Bestimmungen der Statuten und endlich in der Scholarenpoesie. Voll derselben ist uns ein großer Schatz erhalten, namentlich in den nach der Fundstätte des Codex benannten Carmina burana (s. d.).
2) Neuere Zeit. Im 15. Jahrh. war das wissenschaftliche Leben der wie ihre Verfassung in vieler Beziehung erstarrt und die akademischen Grade wurden oft auch ohne Rücksicht auf die wissenschaftlichen Leistungen verliehen. Der Doktor war zu einer neuen Art von Adel geworden und wurde auf Empfehlung großer Herren und der Päpste verliehen (doctores bullati). Der Humanismus richtete hiergegen seine Angriffe, eine Reform erfolgte jedoch erst nach dem durch die Reformation energisch vollzogenen Bruche mit dem Mittelalter in Deutschland. In Frankreich erfolgten bereits im 16. Jahrh. die Anfänge der Centralisation des Universitätswesens (Edikt von Blois 1579), aber eine tiefer gehende Umgestaltung der fand doch erst durch die Revolution und die Einrichtungen Napoleons I. statt. Université bezeichnet in Frankreich jetzt nicht mehr eine Hochschule, sondern die Gesamtheit der Erziehungs- und Unterrichtsanstalten. Bezeichnend ist der starke Einfluß der Staatsbehörden und die Entstehung mehrerer von den Klerikalen gegründeter «katholischer (S. Frankreich, Bildungs- und Unterrichtswesen.)
Vgl. Cournot, L’instruction publique en France (Par. 1884). -
In England traten bereits im Mittelalter neben die beiden Oxford und Cambridge eigene Rechtsschulen, die Inns of Court (s. d.), die sich aber nicht zu wissenschaftlichen Lehranstalten in höherm Sinne entwickelten und von denen keine Reform des Universitätslebens ausging. Oxford und Cambridge bestehen noch heute aus einer Reihe auf mittelalterliche Schenkungen und Privilegien gegründeter und mit kirchlichen Einrichtungen und Pflichten verbundener Kollegien, den alten studia dotata, die Gelehrten bedeutende Pfründen und zahlreichen Scholaren Aufenthalt, Kost und Unterricht gewähren. (S. Englisches Schul- und Universitätswesen.) Dublin [* 80] in Irland ist im 16. Jahrh. nach ihrem Muster gegründet worden. (S. Großbritannien [* 81] und Irland, Unterrichtswesen).
Neuerdings herrschen lebhafte Reformbestrebungen.
Vgl. V. A. Huber, Die englischen (2 Bde., Cass. 1839-40);
Fuller, History of the University of Cambridge (1840);
Laing, Some dreams on University and College reforms (Oxf. 1876);
Pattison, Suggestions on academical organisation (Edinb. 1868);
Lorinser, The universities of Scotland (ebd. 1854).
(S. University extension movement.)- In Italien entstanden in der Zeit der Renaissance zahlreiche mehr oder weniger organisierte Vereinigungen zur Pflege der Wissenschaft, welche sich von den durch die Freiheit von den veralteten Formen unterschieden. Aus ihnen gingen die Akademien und andere nur der Forschung, nicht dem Unterricht gewidmete gelehrte Gesellschaften hervor, aber zu einer Reform der kam es nicht. Ebensowenig in Spanien, [* 82] dessen im 17. Jahrh. hervorragende Mittelpunkte der Bestrebungen waren, welche die mittelalterliche Scholastik zu erneuern suchten. Gegenwärtig hat Italien zahlreiche kleine die wohl Träger [* 83] des kräftig erwachten wissenschaftlichen Lebens sind, aber tiefgreifender Reformen bedürfen (s. Italien, Unterrichts- und Bildungswesen).
Vgl. Coppi, Le [* 84] università italiane nel medio evo (3. Aufl., Flor. 1886);
La Fuente, Historia de las universidades en España (2 Bde., 1885);
Alejandro Vidal y Diaz, Memoria historica de la universidad do Salamanca (1869).
Die deutschen seit der Reformation sind Fortbildungen ans den des Mittelalters, aber sie haben sich im Laufe der Zeit so vollständig umgestaltet, daß der Zusammenhang, abgesehen von einigen Äußerlichkeiten und Namen, fast nur noch in einem idealen Moment besteht. Eine wichtige Veränderung erfolgte namentlich im 16. Jahrh. durch Einrichtung von Schulen, auf denen die Knaben zum Studium auf den vorbereitet wurden, während im Mittelalter die und ihre Bursen Scholaren mit dem 15. und 12., ja mit dem 10. Jahre annahmen.
Ein anderer Unterschied ergab sich aus den Veränderungen der Wissenschaft. Die prot. Theologie trat neu auf, die Philologie löste sich aus der alten facultas artium, das kanonische Recht trat zurück, das röm. Recht befreite sich von der Scholastik, doch später als die andern Wissenschaften, wie es auch später unter die Herrschaft dieser Richtung gefallen war. Manche Formen und Einrichtungen des Universitätslebens, die bereits im 14. und 15. Jahrh. erstarrten und verfielen, erhielten sich noch im 16. und 17. Jahrh. und wurden zu Zerrbildern ihres ursprünglichen Wesens.
Das Übergewicht der theol. Interessen war der Entwicklung ungünstig. Manche verbrauchten ihre ganze Kraft [* 85] in dogmatischen Kämpfen, und der Gegensatz zwischen Protestantismus und Katholicismus drohte einigen wie Prag, den Untergang zu bringen. Man bezeichnete die nach Konfessionen, [* 86] indessen wurde diese Unterscheidung doch nicht allgemein verbindlich. Das Haupthindernis für die Blüte [* 87] der Deutschlands [* 88] im 16. und 17. Jahrh. lag in den allgemeinen Verhältnissen, der Kriegsnot, der Armut und vor allem in der Kleinheit und Unfertigkeit der Staaten des Deutschen Reichs. Die hervorragendsten Gelehrten waren nicht oder nur vorübergehend Mitglieder der Weit größere Bedeutung hatte die rasch aufblühende Universität Leiden.
Die der Gegenwart beginnen strenggenommen erst im 18. Jahrh. mit der Gründung von Halle 1694 (vgl. Schrader, Geschichte der Friedrichs-Universität zu Halle, 2 Bde., Berl. 1894) und Göttingen 1737. Eine weitere Epoche bildete dann die Gründung von Berlin und Bonn im Anfang des 19. Jahrh. Das charakteristische Merkmal dieser Periode ist die Beseitigung der überlebten mittelalterlichen Einrichtungen (z. B. lat. Sprache der Vorlesungen) und die kräftige Hilfe des Staates, welcher einmal den die Mittel gewährte, um die Institute, Laboratorien, Bibliotheken und Lehrmittel aller Art in der vollkommenen Weise herzustellen, wie sie der gegenwärtige Stand der Wissenschaften fordert, und andererseits den Professoren auskömmliche Einnahmen gewährte, und damit die Mittel, um eine der Wissenschaft würdige Stellung in der Gesellschaft einzunehmen. Infolge der Ausbildung einzelner Zweige zu selbständigen Wissenschaften ist die philos. Fakultät übermäßig zahlreich geworden. In Tübingen, Würzburg, Marburg, Straßburg, Dorpat [* 89] und an den Schweizer hat man sie deshalb in zwei (philos. und naturwissenschaftliche) Fakultäten ¶