(Untersuchungsarrest),
Verhaftung des einer verbrecherischen That Verdächtigen, um die Erreichung
der
Zwecke der strafrechtlichen Untersuchung zu sichern. Im
Gegensatz zur Strafhaft ist der
Zweck der Untersuchungshaft ein vorbereitender,
die
Vollstreckung des künftigen
Strafurteils sichernder. Die ist ein
Eingriff in die persönliche
Freiheit
lediglich
aus Zweckmäßigkeitsgründen. Die moderne Strafprozeßgesetzgebung ist daher darauf bedacht, die Voraussetzungen
der Untersuchungshaft genau festzusetzen, um ein willkürliches Verhängen der Untersuchungshaft möglichst
zu vermeiden (s.
Haft).
Jedenfalls müssen gegen den Angeschuldigten dringende Verdachtsgründe vorliegen. Die Untersuchungshaft darf nicht
denCharakter einer
Strafe haben. Deshalb ist die Behandlung des Untersuchungsgefangenen von derjenigen
des Strafgefangenen wesentlich verschieden. Nach der deutschen Strafprozeßordnung (§ 116) muß der in Untersuchungshaft. Genommene,
soweit möglich, einzeln und namentlich nicht mit Strafgefangenen zusammen verwahrt werden. Mit Zustimmung des Verhafteten
kann jedoch von dieser Vorschrift abgesehen werden.
Demselben sollen ferner nur solche Beschränkungen auferlegt werden, welche zur
Sicherung desZweckes der
Haft oder zur Aufrechthaltung der
Ordnung im Gefängnis notwendig sind. Bequemlichkeiten und Beschäftigungen, die dem
Stand
und den Vermögensverhältnissen des Verhafteten entsprechen, darf sich derselbe auf seine
Kosten verschaffen, soweit sie
mit dem
Zweck der
Haft vereinbar sind und weder die
Ordnung im Gefängnis stören noch die Sicherheit gefährden.
Fesseln dürfen dem Verhafteten im Gefängnis nur dann angelegt werden, wenn es wegen besonderer Gefährlichkeit seiner
Person, namentlich zur
Sicherung andrer, erforderlich erscheint, oder wenn er einen Selbstentleibungs- oder Entweichungsversuch
gemacht oder vorbereitet hat. Bei der
Hauptverhandlung soll er ungefesselt sein. Gleichwohl erleidet der
nachmals verurteilte Angeschuldigte durch die vorgängige Untersuchungshaft thatsächlich ein
Mehr an
Strafe, und ebendeshalb entspricht es
der
Billigkeit, die erlittene Untersuchungshaft auf die erkannte
Strafe in
Anrechnung zu bringen.
Das deutsche
Strafgesetzbuch (§ 60) bestimmt, daß eine erlittene Untersuchungshaft bei
Fällung des
Urteils auf die erkannte
Strafe ganz oder teilweise angerechnet werden kann. Sie muß nach der deutschen Strafprozeßordnung (§ 482) auf die
zu vollstreckende
Freiheitsstrafe insoweit angerechnet werden, als sie für den verurteilten Angeschuldigten noch fortbestand,
nachdem er auf die Einlegung eines
Rechtsmittels verzichtet oder das eingelegte
Rechtsmittel zurückgenommen hat, oder seitdem
die Einlegungsfrist abgelaufen ist, ohne daß er eine
Erklärung abgegeben.
Nach der österreichischen Strafprozeßordnung (§ 400) ist die Untersuchungshaft anzurechnen, welche der zu einer
Freiheitsstrafe Verurteilte seit der
Verkündigung des
Urteils erster
Instanz erlitten hat, insofern der Antritt der
Strafe durch
von dem
Willen des Verurteilten unabhängige Umstände verzögert wurde. Außerdem findet die Einrechnung
auch dann statt, wenn ein zu gunsten des Verurteilten ergriffenes
Rechtsmittel auch nur einen teilweisen Erfolg hatte. Für
den durch eine Untersuchungshaft betroffenen, nachträglich aber freigesprochenen Angeschuldigten wird neuerdings
vielfach die Gewährung einer
Entschädigung als ein
Gebot der
Billigkeit bezeichnet (s.
Unschuldig Angeklagte und unschuldig
Verurteilte).
Im heutigen Strafverfahren bleibt der Beschuldigte während der
¶
mehr
Untersuchung der Regel nach auf freiem Fuße. Nach der Deutschen und Osterr. Strafprozeßordnung darf der Beschuldigte in
genommen werden, wenn dringende Verdachtsgründe gegen ihn vorliegen und entweder Fluchtverdacht oder Kollusionsgefahr vorliegt.
Der Fluchtverdacht bedarf keiner weitern Begründung 1) wenn ein Verbrechen (s. d.) den Gegenstand der Untersuchung bildet;
2) gegen Heimatlose, Landstreicher und Leute, die sich über ihre Person nicht ausweisen können;
3) gegen Ausländer, falls gegründeter Zweifel besteht, daß sie sich auf Ladung stellen und dem Urteil Folge leisten werden.
Kollusionsgefahr, wegen deren nach §. 190 der Österr. Strafprozeßordnung die nicht über 2, mit Genehmigung des Gerichtshofs
zweiter Instanz 3 Monate ausgedehnt werden darf, ist vorhanden, wenn Thatsachen vorliegen, aus denen zu
schließen ist, daß der Beschuldigte Spuren der That vernichten oder daß er Zeugen und Mitschuldige zu einer falschen Aussage
oder erstere dazu verleiten werde, sich der Zeugnispflicht zu entziehen.
Handelt es sich um eine nur mit Haft oder Geldstrafe bedrohte That, so darf die nicht wegen Kollusionsgefahr,
sondern nur wegen Fluchtverdachtes und auch nur dann verhängt werden, wenn der Beschuldigte zu den vorher unter 2 und 3 genannten
Personen gehört, oder unter Polizeiaufsicht (s. d.) steht, oder die ihm
zur Last gelegte Übertretung mit Überweisung an die Landespolizeibehörde bestraft werden kann. Die Österr.
Strafprozeßordnung gestattet auch wegen befürchteter Wiederholung der vollendeten, oder Ausführung der versuchten oder
angedrohten That.
Die Verhaftung erfolgt auf Grund schriftlichen Haftbefehls des Richters, in welchem der Angeschuldigte genau bezeichnet, die
ihm zur Last gelegte That und der Grund der Verhaftung angegeben sein muß. Der Haftbefehl ist dem Beschuldigten
bei der Verhaftung, spätestens aber am Tage nach seiner Einlieferung in das Gefängnis mit dem Eröffnen, daß ihm Beschwerde
(s. d.) gegen denselben zustehe, bekannt zu machen. Spätestens am Tage nach seiner Einlieferung muß der Verhaftete durch
einen Richter über den Gegenstand der Beschuldigung gehört werden. In Österreich
[* 4] kann die ordentliche
erst nach der Vernehmung durch den Untersuchungsrichter verhängt werden.
Untersuchungsgefangene sollen von Strafgefangenen getrennt gehalten und nur solchen Beschränkungen unterworfen werden, welche
zur Sicherung des Haftzwecks oder zur Aufrechterhaltung der Ordnung notwendig sind; mit dieser Einschränkung dürfen sie
sich auf ihre Kosten ihrem Stande und Vermögen entsprechende Bequemlichkeiten und Beschäftigungen verschaffen.
(Wegen der in Ausnahmefällen gebotenen Anlegung von Fesseln s. d.) Der Verkehr mit dem Verteidiger ist bis zur Eröffnung
(s. d.) des Hauptverfahrens nur insoweit beschränkt, daß der Richter von schriftlichen Mitteilungen Einsicht nehmen darf
und bei Kollusionsgefahr anordnen kann. daß den Unterredungen mit dem Verteidiger eine Gerichtsperson
beiwohne.
Ist die Verhaftung lediglich wegen Fluchtverdachts angeordnet, so kann der Angeschuldigte gegen Sicherheitsleistung, deren
Höhe und Art (Hinterlegung von barem Gelde oder von Wertpapieren, Pfandbestellung oder Bürgschaft) der Richter nach freiem
Ermessen festsetzt, und neben welcher in Österreich noch das Gelöbnis, sich nicht zu entfernen oder
verborgen zu halten, gefordert werden kann, mit der verschont werden. Trifft der gegen Sicherheitsleistung entlassene
Beschuldigte
Anstalten zur Flucht, bleibt er auf Ladung ohne Entschuldigung aus, bricht er in Österreich das von ihm geleistete Gelöbnis,
oder treten neue Haftgründe hervor, so ist er wieder zu verhaften. Entzieht er sich der Untersuchung
oder dem Antritt der erkannten Freiheitsstrafe, so verfällt die Sicherheit der Staatskasse, nach §. 193 der Österr. Strafprozeßordnung
jedoch unter vorzugsweiser Befriedigung der Entschädigungsansprüche der durch die That Beschädigten. Die Sicherheit wird
frei, wenn der Angeschuldigte zur Haft gebracht wird oder die erkannte Freiheitsstrafe antritt, oder wenn
der Haftbefehl aufgehoben wird.
Der Haftbefehl wird aufgehoben, wenn der angegebene Verhaftungsgrund fortfällt, oder wenn der Angeschuldigte freigesprochen
oder außer Verfolgung gesetzt wird (s. Einstellung [des Strafverfahrens]), ohne daß die Freilassung durch Einlegung eines
Rechtsmittels verzögert werden darf. Doch hat in Österreich die Beschwerde des Staatsanwalts aufschiebende Wirkung, wenn
sie gleich bei Eröffnung des Beschlusses angemeldet und binnen 3 Tagen ausgeführt wird.
Zur Erlassung (und mit Zustimmung der Staatsanwaltschaft auch zur Aufhebung) des Haftbefehls ist in der Voruntersuchung (s. d.)
der Untersuchungsrichter, nach Eröffnung des Hauptverfahrens in dringenden Fällen der Vorsitzende des erkennenden Gerichts,
in allen übrigen Fällen das Gericht, d. h. die beschließende oder erkennende
Strafkammer (s. Landgericht, Ratskammer) zuständig. Vor Erhebung der öffentlichen Klage kann nach §. 125 der Deutschen Strafprozeßordnung
der Haftbefehl auf Antrag der Staatsanwaltschaft und bei Gefahr im Verzuge ohne solchen von jedem zuständigen Amtsrichter erlassen
werden; dieser Haftbefehl ist auf Antrag der Staatsanwaltschaft oder wenn nicht binnen einer Frist von 1 Woche,
welche auf Antrag der Staatsanwaltschaft um 1 und bei Verbrechen und Vergehen um ferner 2 Wochen verlängert werden kann, die
öffentliche Klage erhoben und die Fortdauer der Haft von dem zuständigen Richter angeordnet wird, aufzuheben. In Österreich
findet in solchen Fällen nur eine «vorläufige Verwahrung» des Beschuldigten bis zur Entscheidung des
Untersuchungsrichters statt; verlangt der Beschuldigte, vor diesen gestellt zu werden, so ist er binnen 48 Stunden an denselben
abzuliefern. In dem Beschluß, durch welchen das Hauptverfahren eröffnet wird (s. Eröffnung des Hauptverfahrens),
hat das Gericht von Amts wegen über Anordnung und Fortdauer der zu beschließen. (S. Festnahme, Geleit,
Haftbefehl, Steckbrief.)
Dem erkennenden Richter wird die Befugnis eingeräumt, die erlittene bei Fällung des Urteils auf die erkannte Strafe ganz oder
teilweise anzurechnen (§. 60 des DeutschenReichsstrafgesetzbuchs). Der Regel nach wird die nur auf zeitige Freiheitsstrafen
angerechnet, doch ist sie auch bei Geldstrafen, deren Verhältnis zur Freiheitsstrafe im Strafgesetzbuch
geordnet ist (§§. 28, 29), an sich möglich. Ausgeschlossen erscheint sie bei Todesstrafe, lebenslänglicher Freiheitsstrafe,
Verweis und allen Nebenstrafen durch die Natur dieser Strafen. Unabhängig von dieser durch das Strafurteil auszusprechenden
Anrechnung der hat der Angeklagte nach ergangenem Urteil einen gesetzlichen Anspruch auf unverkürzte Anrechnung
derjenigen welche er erlitten hat, seit er auf Einlegung eines Rechtsmittels verzichtet, oder das eingelegte Rechtsmittel
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zurückgenommen hat, oder seitdem die Einlegungsfrist abgelaufen ist, ohne daß er eine Erklärung abgegeben hat (§. 482 der
Deutschen Strafprozeßordnung). Im Fall der Freisprechung kann von einer Anrechnung der nicht die Rede sein. Ob der Staat zu
einer Entschädigung der Freigesprochenen verpflichtet ist, ist eine Streitfrage, die wesentlich nach
denselben Grundsätzen zu beurteilen ist wie die Entschädigung (s. d.) unschuldig Verurteilter. -