Verteidigung
(Defensive, Defension), die Wahrung und Geltendmachung der dem Angeschuldigten im Strafverfahren zustehenden Rechte durch einen hierzu bestellten Beistand (Defensor, Verteidiger). Die deutsche Strafprozeßordnung unterscheidet zwischen dem sogen. Wahlverteidiger und dem notwendigen Verteidiger. Notwendig ist die in denjenigen Sachen, welche in erster Instanz vor das Reichsgericht oder vor das Schwurgericht gehören, ebenso aber auch in denjenigen Untersuchungssachen, welche vor dem Landgericht in erster Instanz zu verhandeln sind, wenn der Angeschuldigte taub oder stumm ist oder das 16. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, oder wenn ein eigentliches Verbrechen den Gegenstand der Untersuchung bildet und der Beschuldigte oder sein gesetzlicher Vertreter die Bestellung eines Verteidigers verlangt. Zu Wahlverteidigern, die in jeder strafrechtlichen Untersuchung zugezogen werden können, sind Rechtsanwalte sowie Rechtslehrer an deutschen Hochschulen, andre Personen dagegen nur mit Genehmigung des Gerichts zuzulassen.
Die Auswahl eines notwendigen Verteidigers erfolgt durch den Vorsitzenden des Gerichts aus der Zahl der am Sitz dieses Gerichts wohnhaften Rechtsanwalte; doch können auch Justizbeamte, welche nicht als Richter angestellt sind, sowie solche Rechtskundige, welche die vorschriftsmäßige erste Prüfung für den Justizdienst bestanden haben, als Verteidiger bestellt werden. Abweichend von den bisherigen Vorschriften, gestattet die deutsche Strafprozeßordnung die Zuziehung eines Verteidigers schon im Vorverfahren oder in der Voruntersuchung; doch erfolgt die Vernehmung des Angeschuldigten in der Voruntersuchung in Abwesenheit des Verteidigers wie des Staatsanwalts.
Der Verteidiger kann die Untersuchungsakten einsehen, auch mit dem verhafteten Beschuldigten mündlich und schriftlich verkehren. Vor Eröffnung des Hauptverfahrens müssen jedoch schriftliche Mitteilungen dem Richter vorgelegt werden, auch kann der Richter bis zu diesem Zeitpunkt anordnen, daß Unterredungen des verhafteten Beschuldigten mit dem Verteidiger eine Gerichtsperson beiwohne. Der Verteidiger kann die Abhörung neuer Zeugen (Entlastungs-, Schutz-, Defensionalzeugen) und sonstige ergänzende Maßregeln beantragen, um neue Entlastungsmomente beizubringen.
Man unterscheidet ferner zwischen
Haupt- und Nebenverteidigung.
Erstere ist auf das
Endurteil selbst gerichtet; sei es, daß
sie den Belastungsbeweis zu entkräften oder einen Unschuldsbeweis zu erbringen sucht, daß sie die
That als eine straffreie oder als unter ein andres Strafgesetz fallend im
Gegensatz zu der
Anklage hinzustellen bemüht ist;
sei es, daß sie sich auf die Hervorhebung von Strafmilderungsgründen beschränkt. Die Nebenverteidigung
bezieht sich auf
beschwerende Maßregeln in der
Voruntersuchung,
Untersuchungshaft
z. B.; sie richtet sich gegen die
Eröffnung des Hauptverfahrens
u. dgl. Auch in der Rechtsmittelinstanz ist die
Verteidigung
zulässig. Dem amtlich zum Verteidiger bestellten
Rechtsanwalt sind für die Verteidigung
die
Gebühren aus der Staatskasse zu bezahlen,
unter Vorbehalt des
Rückgriffs an den in die
Kosten verurteilten Angeschuldigten.
Vgl. Deutsche
[* 3] Strafprozeßordnung, § 137-150;
Jaques, über die Aufgabe der Verteidigung
(Wien
[* 4] 1873);
Frydmann, Handbuch der Verteidigung
im
Strafverfahren (das. 1878);
Kosjek, Aus den Papieren eines Verteidigers (Graz [* 5] 1884). -
Über Verteidigung
im militärischen
Sinn s.
Defensive und
Festungskrieg, S. 199 f.