Wahlmänner
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s. Wahl, S. 328.
Wahlmänner
8 Wörter, 52 Zeichen
Wahlmänner,
s. Wahl, S. 328.
die Art und Weise, wie von mehreren befähigten und berechtigten Personen jemand zu einer besondern Stellung berufen wird. Namentlich im öffentlichen Leben, aber auch innerhalb der Vereine und Gesellschaften spielen die Wahlen eine grosse Rolle. Bei Gesellschaften und Vereinen entscheiden die Statuten über die Wahl der Vorstände und der sonstigen Organe der Vereinigung. Öffentliche Korporationen, wie Handelskammern, Innungen, Gemeindevertretungen, Kirchenvorstände, Kreisausschüsse u. dgl., werden nach besondern Verordnungen und Wahlregulativen berufen.
Die Wahl von Schöffen und Geschwornen erfolgt nach bestehender Gesetzesvorschrift. Von besonderer Wichtigkeit sind die Wahlen der Volksvertreter und zwar da, wo das Zweikammersystem besteht, die Wahlen für die Zweite Kammer (Volkskammer). Diese Wahl ist entweder eine unmittelbare (direkte), durch die Wahlberechtigten (Wähler) selbst, wie in England, Nordamerika, [* 3] Frankreich, Belgien [* 4] und Italien, [* 5] in den meisten Schweizerkantonen und bei den Wahlen zum deutschen Reichstag, oder eine mittelbare (indirekte), indem die Wähler (Urwähler) durch sogen. Urwahl Wahlmänner erwählen, durch welche dann die Wahl der eigentlichen Abgeordneten selbst erfolgt, so in Spanien, [* 6] Preußen, [* 7] Bayern [* 8] und in vielen andern deutschen Einzelstaaten. In Österreich [* 9] ist die Wahl für die Landes- und Reichsvertretung in der Regel direkt; nur die Wählerklasse der Landgemeinden entsendet ihre Abgeordneten in den Landtag wie in den Reichsrat auf indirekte Weise.
Die Befugnis zum Wählen (aktives Wahlrecht) und die Fähigkeit, gewählt werden zu können (passives Wahlrecht), sowie das zu beobachtende Wahlverfahren (Wahlmodus) sind durch besondere Wahlgesetze (Wahlordnungen, Wahlreglements) festgestellt, so z. B. durch die preußische Verordnung vom welche auch in den neupreußischen Gebietsteilen eingeführt ist, durch das bayrische Gesetz vom sächsische Gesetz vom württembergische Gesetz vom etc. Für das Deutsche Reich [* 10] sind die für die Reichstagswahlen maßgebenden Bestimmungen in dem Bundes- (Reichs-) Gesetz vom und in dem Wahlreglement vom enthalten.
Dabei sind verschiedene Wahlsysteme zu unterscheiden. Zunächst finden sich nämlich noch Spuren des frühern ständischen Systems, wonach einzelne bestimmte Stände ihre Vertreter (»Landstände«) wählten, welche also nicht Vertreter der Gesamtheit der Staatsbürger, sondern ihres speziellen Standes waren. Die meisten modernen Staatsverfassungen haben aber diesen Standpunkt verlassen und das Repräsentativsystem angenommen, wonach der Volksvertreter die Gesamtheit des Volkes repräsentiert. Aber gleichwohl lassen die meisten Wahlgesetze bei der Wahl der Volksvertreter nicht lediglich die Kopfzahl entscheiden, sie legen vielmehr dabei einen gewissen Steuerzensus zu Grunde, wie z. B. in ¶
Österreich diejenigen, welche gar keine Steuern oder nur einen ganz geringen Steuersatz zahlen, vom Wahlrecht gänzlich ausgeschlossen sind. Das preußische Wahlgesetz vom hat für die (indirekte) Wahl zum Abgeordnetenhaus ein Dreiklassensystem eingeführt, wonach die Urwähler in Höchst-, Mittel- und Niedrigstbesteuerte zerfallen und jede dieser drei Klassen je ein Drittel der Wahlmänner zu wählen hat. In England steht den Haushaltungsvorständen das Recht zu, an den Wahlen für das Unterhaus teilzunehmen. In Österreich (Gesetze vom und wird für das Haus der Abgeordneten in vier Klassen (Großgrundbesitzer, Städte, Handels- und Gewerbekammern, Landgemeinden) gewählt. In Frankreich, in der Schweiz, [* 12] in manchen nordamerikanischen Staaten und nun auch im Deutschen Reich ist dagegen das allgemeine, gleiche, direkte Wahlrecht (allgemeine Stimmrecht, s. d., suffrage universel) eingeführt.
Die Erfordernisse der passiven Wahlfähigkeit sind in der Regel dieselben wie für die aktive Wahlberechtigung. Für den deutschen Reichstag insbesondere kann gewählt werden und wählen jeder Deutsche, welcher das 25. Lebensjahr zurückgelegt hat, sich im Vollgenuß der staatsbürgerlichen Rechte befindet und rechtlich selbständig ist. Für Personen des Soldatenstandes, des Heers und der Marine, welche sich bei den Fahnen befinden, ruht die aktive, nicht aber auch die passive Wahlberechtigung. Um in den Reichstag gewählt werden zu können, muß der Kandidat einem deutschen Staat seit mindestens einem Jahr angehört haben.
Mitglieder des Bundesrats können nicht zugleich dem Reichstag, Mitglieder einer Ersten nicht zugleich der Zweiten Kammer angehören. In manchen Staaten ist für die Abgeordneten ein höheres Lebensalter erforderlich, zumeist, wie in Preußen, von 30 Jahren. Die Frage, ob Beamte zum Eintritt in die Volksvertretung des Urlaubs bedürfen, ist in den einzelnen Gesetzen verschieden beantwortet. Zum Eintritt in den deutschen Reichstag ist für sie ein Urlaub nicht erforderlich.
Nach dem deutschen Wahlgesetz erfolgt die Wahl durch absolute Stimmenmehrheit aller im Wahlkreis abgegebenen Stimmen, d. h., der Wahlkandidat muß mehr als die Hälfte aller abgegebenen Stimmen auf sich vereinigen. Stellt sich bei einer Wahl eine absolute Stimmenmehrheit nicht heraus, so ist nur unter den zwei Kandidaten anderweit zu wählen, welche die meisten Stimmen im ersten Wahlgang erhalten hatten (engere Wahl, Stichwahl). Bei Stimmengleichheit entscheidet das Los. In England und in einem großen Teil von Nordamerika ist die Wahl öffentlich und mündlich, dagegen bei den Wahlen zum deutschen Reichstag und in den meisten deutschen Einzelstaaten (aber nicht in Preußen) geheim, d. h. der Wähler übergibt seinen Stimmzettel dem Wahlvorsteher so zusammengefaltet, daß der auf dem Zettel verzeichnete Name verdeckt steht, und der Wahlvorsteher legt den Stimmzettel uneröffnet in das auf dem Wahltisch stehende Gefäß [* 13] (Wahlurne).
Die Stimmzettel, welche außerhalb des Wahllokals mit dem Namen des Kandidaten, welchem der Wähler seine Stimme geben will, zu versehen sind, müssen von weißem Papier und dürfen mit keinem äußern Kennzeichen versehen sein. Schutzmittel gegen etwanigen Mißbrauch dieses Wahlmodus sind die Öffentlichkeit der Wahlhandlung und der Ermittelung des Wahlergebnisses, ferner die Bestimmung, daß die Funktion der Vorsteher, Beisitzer und Protokollführer bei der Wahlhandlung in den Wahlbezirken und der Beisitzer bei der Ermittelung des Wahlergebnisses in den Wahlkreisen ein unentgeltliches Ehrenamt ist, daß dasselbe nur von Personen ausgeübt werden kann, welche kein unmittelbares Staatsamt bekleiden, und daß endlich das Wahlrecht nur in Person ausgeübt werden kann. Um eine Beeinflussung der spätern Wahl durch das Resultat der frühern zu vermeiden, muß die Wahl zum Reichstag im ganzen Gebiet des Deutschen Reichs an einem und demselben Tag stattfinden.
Zum Zweck der Wahl ist das ganze Reichsgebiet in Wahlkreise eingeteilt, welch letztere wiederum zum Zweck der Abstimmung in Wahlbezirke zerfallen. Für jeden Wahlkreis wird ein Wahlkommissar und für jeden Wahlbezirk ein Wahlvorsteher nebst Stellvertreter von der zuständigen Behörde ernannt. Jede Ortschaft bildet der Regel nach einen Wahlbezirk für sich; doch können einzelne bewohnte Besitzungen und kleine sowie solche Ortschaften, in welchen Personen, die zur Bildung des Wahlvorstandes geeignet, sich nicht in genügender Anzahl vorfinden, mit benachbarten Ortschaften zu einem Wahlbezirk vereinigt, große Ortschaften in mehrere Wahlbezirke geteilt werden.
Kein Wahlbezirk darf mehr als 3500 Seelen nach der letzten allgemeinen Volkszählung enthalten. Für jede Gemeinde ist eine Liste sämtlicher Wahlberechtigten (Wahlliste, Wählerliste) anzufertigen und zu jedermanns Einsicht mindestens acht Tage lang öffentlich aufzulegen. Innerhalb achttägiger Frist müssen auch etwanige Anträge auf Berichtigung und Vervollständigung der Wahlliste gestellt werden. Die Wahlhandlung (Wahlakt) beginnt an dem bestimmten Tag um 10 Uhr [* 14] vormittags und wird um 6 Uhr nachmittags geschlossen.
Während der Wahlhandlung dürfen im Wahllokal weder Diskussionen stattfinden, noch Ansprachen gehalten, noch Beschlüsse gefaßt werden, abgesehen von Diskussionen und Beschlüssen des Wahlvorstandes, welche durch die Leitung des Wahlgeschäfts bedingt sind. Zur Stimmabgabe sind nur diejenigen zuzulassen, welche in die Wählerliste aufgenommen sind. Um 6 Uhr nachmittags erklärt der Wahlvorsteher die Wahl für geschlossen; die Stimmzettel werden aus der Wahlurne genommen, uneröffnet gezählt, und ihre Gesamtzahl wird zunächst mit der ebenfalls festzustellenden Zahl der Wähler verglichen, bei deren Namen der Abstimmungsvermerk in der Wählerliste durch den Protokollführer gemacht ist.
Über die Gültigkeit oder Ungültigkeit der Wahlzettel entscheidet zunächst der Vorstand des Wahlbezirks nach Stimmenmehrheit der Mitglieder. Zu diesem Zweck sind diejenigen Stimmzettel, über deren Gültigkeit es einer Beschlußfassung des Wahlvorstandes bedarf, mit fortlaufenden Nummern zu versehen und dem Wahlprotokoll beizufügen. Alle übrigen Stimmzettel sind zu versiegeln und so lange aufzubewahren, bis der Reichstag die Wahl definitiv für gültig erklärt hat.
Die endgültige Wahlprüfung steht nämlich dem Reichstag selbst zu. Für jeden Wahlkreis ist ein Abgeordneter zu wählen. Die Abgeordneten sind Vertreter des gesamten Volkes und an Aufträge und Instruktionen nicht gebunden. Wahlperiode (Legislaturperiode) wird der Zeitraum genannt, für welchen die Abgeordneten verfassungsmäßig zu wählen sind. Ihre Dauer ist für den deutschen Reichstag durch Reichsgesetz vom von drei auf fünf Jahre verlängert, für die Einzellandtage teils auf sechs, teils auf fünf, teils auf vier und teils auf drei Jahre festgesetzt. Erledigt sich ein Mandat vor Ablauf [* 15] dieses Zeitraums, so ist für den Rest der Wahlperiode eine Nachwahl vorzunehmen, während für den Fall der Auflösung der ¶
Kammer zu einer Neuwahl sämtlicher Abgeordneten auf die volle Legislaturperiode zu schreiten ist.
Wahlvergehen, d. h. Übertretungen der Vorschriften, welche zum Schutz des Wahlrechts erlassen sind, insbesondere Beeinträchtigungen der Wahlfreiheit, werden strafrechtlich geahndet; dahin gehören namentlich die sogen. Wahlbestechung (s. d.) und die Wahlfälschung, d. h. die vorsätzliche Herbeiführung eines unrichtigen Ergebnisses der Wahlhandlung oder die Verfälschung des Wahlergebnisses seitens desjenigen, welcher in einer öffentlichen Angelegenheit mit der Sammlung von Wahl- oder Stimmzetteln oder Wahlzeichen oder mit der Führung der Beurkundungsverhandlung beauftragt ist.
Das deutsche Strafgesetzbuch (§ 108) läßt hier Gefängnisstrafe von einer Woche bis zu drei Jahren eintreten. Wird das Vergehen von jemand begangen, der bei dem Wahlgeschäft nicht mit einer solchen Funktion betraut war, so tritt Gefängnisstrafe von einem Tag bis zu zwei Jahren ein. Endlich bedroht das Reichsstrafgesetzbuch (§ 107) denjenigen, welcher einen Deutschen durch Gewalt oder durch Bedrohung mit einer strafbaren Handlung verhindert, in der Ausübung seiner staatsbürgerlichen Rechte zu wählen oder zu stimmen, mit Gefängnis nicht unter sechs Monaten oder mit Festungshaft bis zu fünf Jahren.
Übrigens haben sich wiederholt Stimmen für eine Wahlreform und namentlich gegen die örtlich abgegrenzte Wahl nach Wahlkreisen erhoben, indem man nationale Landeswahlen an ihre Stelle setzen und auch den Minoritäten eine Berücksichtigung zu teil werden lassen will (s. Listenabstimmung).
Vgl. Hare, Treatise on the election of representation (4. Aufl., Lond. 1873);
Naville, Die Wahlreform in Europa [* 17] und Amerika [* 18] (a. d. Franz. von Wille, Zürich [* 19] 1868);
Marxen, Das deutsche Wahlsystem (Leipz. 1882);
Zählmaß, s. Wall. ^[= # (lat. vallum), Erdanschüttung, welche den Hauptteil eines Festungswerkes bildet. Die obere ...]