(Weinsteinsäure) C4H6O6 findet sich weitverbreitet im Pflanzenreich, teils frei,
teils in der Form saurer Salze in sauren und süßen Früchten, in geringer Menge in Wurzeln, Rinden, Hölzern,
Blättern. Sehr reichlich ist Weinsäure im Traubensaft enthalten, und beim Lagern des Weins scheidet sie sich als saures weinsaures
Kali (Weinstein) ab. Zur Darstellung neutralisiert man Weinstein mit kohlensaurem Kalk, wobei sich schwer löslicher weinsaurer
Kalk und neutrales weinsaures Kali bilden, zersetzt letzteres durch Kochen mit gemahlenem Gips, wäscht den
abgeschiedenen weinsauren Kalk mit Schwefelsäure, entfärbt die vom schwefelsauren Kalk getrennte Lösung von Weinsäure mit Kohle und
verdampft sie vorsichtig, zuletzt bei höchstens 50-75° zur Kristallisation.
Auch aus Weintrestern (die ausgepreßten Beeren mit den Stielen), Weingeläger (wesentlich Hefe) und aus dem bei der Reinigung
des Weinsteins abfallenden weinsauren Kalk wird Weinsäure gewonnen. Weinsäure bildet große, farb- und geruchlose, durchsichtige Kristalle,
schmeckt stark und angenehm sauer, leuchtet beim Reiben im Dunkeln, löst sich leicht in Wasser, auch in Alkohol, nicht in Äther,
dreht die Ebene des polarisierten Lichtstrahls nach rechts, schmilzt bei 110°, getrocknet bei 135° und
zerfällt bei anhaltendem Erhitzen auf 180° in Wasser und Weinsäureanhydrid.
An der Luft erhitzt, verbrennt Weinsäure mit leuchtender Flamme unter Entwickelung von Karamelgeruch; trockne Weinsäure hält sich an der
Luft unverändert, die Lösung schimmelt unter Zersetzung, und bei anhaltendem Kochen mit Wasser oder verdünnter Schwefelsäure
entstehen Traubensäure und optisch inaktive Weinsäure. Weinsaure Alkalien werden in wässeriger Lösung durch Mandelkleieauszug
schnell in Kohlensäuresalze verwandelt; mit schmelzendem Kalihydrat gibt Weinsäure Essigsäure und Oxalsäure. Weinsaure Alkalien reduzieren
aus erwärmten Silber-, Gold- und Platinlösungen die Metalle, und aus ammoniakalischer Silberlösung wird das Silber als Spiegel
abgeschieden. Auf den Organismus wirkt Weinsäure ähnlich wie die übrigen Fruchtsäuren, wird aber vom Magen schlechter
vertragen als Zitronensäure und wirkt in größern Dosen giftig. Man benutzt sie zu Saturationen, Limonaden, Brausepulvern, gegen
Skorbut, Ruhr, Magenkatarrh,
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äußerlich gegen riechende Fußschweiß, auch in der Konditorei, Färberei und Zeugdruckerei, als Beize beim Türkischrotfärben
und beim Rotdruck, zum Verschneiden des Weins, in der Photographie etc. Mit Basen liefert Weinsäure zwei Reihen Salze (Tartrate), welche
sich zum Teil in Pflanzen finden, direkt aus Säure und den Basen oder deren Kohlensäuresalzen oder, soweit
sie unlöslich sind, aus einem löslichen Weinsäuresalz durch Zusatz eines löslichen Salzes der betreffenden Base erhalten
werden und sich durch große Neigung, Doppelsalze zu bilden, auszeichnen.
Sie sind zum großen Teil kristallisierbar; diejenigen der Alkalimetalle sind in Wasser löslich, die neutralen Salze der übrigen
Metalle sind meist schwer oder nicht löslich, lösen sich aber auf Zusatz von Wein-, Salz- oder Salpetersäure,
meist auch in überschüssiger Kali-, Natronlauge und in Ammoniak. Am wichtigsten ist das saure weinsaure Kali C4H5O6K
, welches als Weinstein (s. d.) im Handel ist. Neutralisiert man Weinstein mit doppeltkohlensaurem Kali, so
erhält man neutrales weinsaures Kali (Tartarus tartarisatus) C4H4O6K2 . Dies
bildet farblose Kristalle, schmeckt salzig bitterlich, ist hygroskopisch, leicht löslich in Wasser, nicht in Alkohol, dient
als Abführmittel und zum Entsäuern des Weins, mit dessen Weinsäure es Weinstein bildet, der sich alsbald abscheidet.
Das sehr ähnliche weinsaure Kaliammoniak (Tartarus ammoniatus) C4H4O6NH4K erhält man
durch Neutralisieren des Weinsteins mit Ammoniak. Neutralisiert man mit kohlensaurem Natron, so entsteht
weinsaures Kalinatron (Rochellesalz, Seignettesalz, Tartarus natronatus, Natro-Kali tartaricum, Sal polychrestum Seignetti) C4H4O6KNa
+ 4 H2O ^[C4H4O6KNa + 4 H2O]. Dies bildet große, farblose Kristalle, schmeckt mild salzig, bitterlich kühlend,
löst sich leicht in Wasser, kaum in Alkohol, verwittert langsam in warmer Luft, schmilzt bei 38°, dient
als mildes, kühlendes Abführmittel.
Beim Verdampfen einer Lösung von 2 Teilen Borax und 5 Teilen Weinstein erhält man den Boraxweinstein (Tartarus boraxatus s. solubilis)
C4H4O6KBO als amorphe, weiße, hygroskopische, in Wasser leicht, in Alkohol wenig lösliche,
stark saure Masse, welche beim Erhitzen schmilzt und als harntreibendes und Abführmittel, auch bei Hautkrankheiten
benutzt wird. Weinsaures Natron C4H4O6Na2 bildet luftbeständige, leicht lösliche Kristalle
mit 2 Molekülen Kristallwasser und wird erst bei 200° wasserfrei.
Das saure Salz C4H5O6Na kristallisiert mit 1 Molekül Kristallwasser, ist viel löslicher als
das Kalisalz und wird über 100° wasserfrei. Weinsaurer Kalk C4H4O6Ca findet
sich in vielen Pflanzensäften und im rohen Weinstein, wird aus Chlorcalciumlösung durch Weinsäure gefällt, ist farb- und geschmacklos,
kaum löslich in Wasser, leicht in Säuren, Salmiak und kalter Kalilauge. Das saure Salz findet sich ebenfalls in Pflanzensäften
und bildet schwer lösliche Kristalle.
Weinsaures Eisenoxydul wird aus Eisenvitriollösung durch Weinsäure gefällt, ist farblos, schwer löslich, oxydiert
sich beim Erwärmen an der Luft. Weinsaures Eisenoxyd entsteht beim Lösen von Eisenoxydhydrat in Weinsäure, ist schmutzig gelb, amorph;
die Lösung gibt beim Erhitzen unter teilweiser Reduktion unlösliches basisches Salz. Eisenoxydhydrat, mit Weinstein digeriert,
gibt weinsaures Eisenoxydkali in glänzenden, schwarzbraunen Schuppen. Dieses Doppelsalz findet sich im
Eisenweinstein (Tartarus ferratus), den man als schmutzig grünes Pulver beim Digerieren von Eisenfeilspänen mit Weinstein erhält.
Er löst sich großenteils in
Wasser, schmeckt säuerlich eisenartig und dient zu Bädern. Weinsaures Antimonoxydkali, s. Brechweinstein.
(Weinsteinsäure, Racemsäure, Tartersäure, lat. acidum tartaricum, frz.
acide tartarique, engl. tartaric acid.). Obgleich diese organische Säure zu den verbreitetsten
Säuren des Pflanzenreichs gehört und sich in vielen Früchten, Blättern etc.,
teils frei, teils an Kalk oder Kali gebunden, vorfindet, so wird sie doch nur aus dem Weinstein, der dem Traubensafte entstammt,
im großen abgeschieden, da man aus diesem nicht allein die größte Ausbeute erhält, sondern auch die Säure wegen der
Abwesenheit andrer organischer Säuren am leichtesten rein zu erhalten ist.
Behufs ihrer Gewinnung erhitzt man den Weinstein mit Wasser, neutralisiert mit Kreide, trennt den entstandenen unlöslichen
weinsauren Kalk von der Flüssigkeit, welche nun neutrales weinsaures Kali enthält und zersetzt letzteres mit Chlorcalcium;
hierbei entsteht wieder weinsaurer Kalk (neben Chlorkalium), den man mit dem zuerst erhaltenen vereinigt
und dann durch eine genau hinreichende Menge Schwefelsäure zersetzt. Die Lösung der frei gewordenen W. wird von dem gleichzeitig
entstandenen Gips getrennt, zur Kristallisation verdampft und durch mehrmaliges Umkristallisieren gereinigt.
Je nach dem größeren oder geringeren Grade der Reinigung unterscheidet man im Handel rohe W. für technischen
Gebrauch und reine W. (acidum tartaricum purum) für inneren Gebrauch, namentlich für medizinische Zwecke; letztere Sorte
muß frei von Schwefelsäure, die der Rohware häufig in kleiner Menge noch anhängt, und von Blei sein, welches von den Pfannen
stammt, in denen man die Säure gewöhnlich zur Kristallisation verdampft. Reine W. bildet große, harte,
geruchlose und farblose, durchscheinende Kristalle des monoklinischen Systems; sie schmeken ^[richtig: schmecken] sehr stark,
aber angenehm, sauer und lösen sich leicht in Wasser und auch in Alkohol, aber nicht in Äther. An der Luft müssen die Kristalle
der W. trocken bleiben; schwefelsäurehaltige werden leicht feucht. Die gewöhnlich im Handel vorkommende
W. ist sog. Rechtsweinsäure (Dextroracemsäure), welche die Ebene des polarisierten Lichtes
nach rechts ablenkt, im Gegensatz zu der im Handel nicht vorkommenden Linksweinsäure (Levoracemsäure), die linksdrehend
ist. -
Beide zusammen gemischt und aus konzentrierter Lösung kristallisieren gelassen, geben Traubensäure (acidum uvicum), welche
in manchen italienischen Weinsteinsorten fertig gebildet vorkommt und sich auch durch geeignete Behandlung
wieder
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in die Rechts- und Linksweinsäure spalten läßt. - Die W. gibt mit den Basen zwei Reihen von Salzen, neutrale (Tartrate)
und saure (Bitartrate). - Die Einfuhr von W. in das Deutsche Reich betrug 1881: 58800 kg, die Ausfuhr dagegen 1275800
kg. -
Die wichtigsten im Handel vorkommenden weinsauren Salze und Doppelsalze sind: das neutrale weinsaure Kali,
das saure weinsaure Kali (s. Weinstein), das weinsaure Antimonoxydkali (s. Brechweinstein), das weinsaure Kaliammoniak, das weinborsaure
Natronkali (s. Boraxweinstein) und das weinsaure Natronkali. - Zollfrei.
Dioxybernsteinsäure, Bezeichnung für mehrere organische Säuren von der Zusammensetzung C4H6O6
= COOH ‧ CHOH ‧ CHOH ‧ COOH. Es sind vier isomere Säuren bekannt, denen allen dieselbe Formel zukommt. Diese sind:
die gewöhnliche Weinsäure oder Rechtsweinsäure, die Linksweinsäure oder Antiweinsäure, die Traubensäure und die inaktive Weinsäure, Paraweinsäure
oder Mesoweinsäure. Die beiden ersten Säuren sind sich sehr ähnlich und drehen die Polarisationsebene
des Lichts gleich stark, aber in entgegengesetzter Richtung.
Die Traubensäure besteht aus einer Verbindung beider, ist daher optisch inaktiv, kann aber in die beiden entgegengesetzten
Modifikationen gespalten werden. Die letzte Säure ist gleichfalls optisch inaktiv, kann aber nicht in verschiedene Säuren
zerlegt werden und wird durch Erhitzen mit Wasser in Traubensäure verwandelt. Der Grund dieser Isomerieverschiedenheiten
liegt nach Le Bel und van 't Hoff in der Anwesenheit zweier asymmetrischer Kohlenstoffatome (s. Asymmetrisches Kohlenstoffatom).
Die gewöhnliche Weinsäure oder Rechtsweinsäure, auch Weinsteinsäure genannt (Acidum tartaricum), findet sich neben der Traubensäure
häufig im
Pflanzenreich, und insbesondere im Traubensaft, aus dem sie sich bei der Gärung als saures
weinsaures Kalium (Weinstein) ausscheidet. Zur Darstellung der Weinsäure dient außer dem Weinstein noch die Weinhefe. Man führt deren
Weinsäure in unlöslichen weinsauren Kalk über, zerlegt diesen durch Schwefelsäure in Gips und in freie Weinsäure, deren Lösung durch
Eindampfen und Krystallisierenlassen in krystallisierte Weinsäure übergeführt wird.
Die Weinsäure krystallisiert in weißen, harten, monoklinen Prismen, ist in Wasser leicht löslich, schwerer in Alkohol, nicht in
Äther. Die Lösungen drehen die Polarisationsebene des Lichts nach rechts und schmecken stark sauer. Der Schmelzpunkt
der Weinsäure liegt bei 170°, wobei sie in ein Anhydrid übergebt. Bei höherm Erhitzen verkohlt sie unter Verbreitung
eines charakteristischen Geruchs und unter Bildung von Brenztraubensäure und Brenzweinsäure. Durch Oxydation wird sie in Kohlensäure
und Ameisensäure übergeführt.
Man verwendet die Weinsäure, außer zu Brausepulver und moussierenden Getränken, in der Technik in größten Mengen zu Back- und Hefenpulver,
ferner in der Färberei und Zeugdruckerei als Ätzbeize. Im Großhandel kosten (1895) 100 kg 240 M. Mit
den Basen bildet die Weinsäure die weinsauren Salze oder Tartrate, die sich zum großen Teil durch ihr Krystallisationsvermögen auszeichnen.
Das Kaliumtartrat oder neutrale Kaliumsalz, C4H4O6K2+½H2O bildet monokline, in Wasser leicht lösliche Prismen.
Das Kaliumbitartrat, das saure Kaliumsalz, der Weinstein (s. d.), C4H5O6K, ist in Wasser sehr
schwer löslich. Kaliumnatriumtartrat, C4H4O6KNa+4H2O, das Seignette- oder Rochellesalz (Sal polychrestum Seignetti,
Tartarus natronatus), wird durch Sättigen von Weinstein mit Soda erhalten und bildet große, rhombische Krystalle. Calciumtartrat,
C4H4O6Ca+4H2O, ist ein in Wasser unlösliches Pulver. Es löst sich in Natronlauge, wird aber daraus beim Kochen
als Gallerte wieder gefällt. Essigweinsaure Thonerde ist ein Doppelsalz, das als ungiftiges, sicher wirkendes
Adstringens und Antiseptikum verwendet wird. Der Brechweinstein (s. d.) ist Kaliumantimonyltartrat, C4H4O6(SbO)K+½H2O.
Die Linksweinsäure oder Antiweinsäure stimmt ihren Eigenschaften nach vollkommen mit der Rechtsweinsäure überein und
zeigt nur das entgegengesetzte Drehungsvermögen. Man erhält sie aus der Traubensäure, deren Natrium-Ammoniumsalz beim
Auskrystallisieren aus Lösungen unter 28° sich in Krystalle des rechts- und linksweinsauren Salzes trennt. Die Krystalle zeigen
hemiëdrische Flächen, die bei den beiden Salzen entgegengesetzte Lage, wie bei Spiegelbildern, haben. Es ist hierdurch möglich,
die Krystalle des rechtsdrehenden Salzes von denen des linksdrehenden zu unterscheiden und durch Aussuchen zu trennen.
Die Traubensäure, C4H6O6+H2O (Acidum racemicum), kommt in geringen Mengen als saures Kaliumsalz im Weinstein vor
und wird bei der Fabrikation der Weinsäure aus den letzten Mutterlaugen gewonnen. Sie kann auch auf synthetischem Wege erhalten werden,
so bei der Oxydation von Fumarsäure durch Kaliumpermanganat, und bildet sich unter Erwärmung, wenn man
Lösungen von Rechts- und Linksweinsäure vermengt. Von der gewöhnlichen Weinsäure unterscheidet sie sich dadurch, daß ihre
Krystalle rhombisch sind, Krystallwasser enthalten und an der
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Luft verwittern. Sie ist ferner weniger leicht löslich in Wasser, vermag in freiem Zustande Chlorcalciumlösung zu fällen
und ist optisch inaktiv. Auch in dem Krystallwassergehalt und der Löslichkeit der Salze (Racemate) zeigen sich Verschiedenheiten.
Die Spaltung der Traubensäure durch das Natrium-Ammoniumsalz ist oben bei der Linksweinsäure erwähnt worden. Auch durch
das Cinchoninsalz wird die Spaltung erreicht. Ferner wird bei der Aussaat von Schimmelpilz (Penicillium glaucum Link) in Traubensäurelösungen
die Rechtsweinsäure zerstört, während Linksweinsäure übrigbleibt. Beim Erhitzen auf 170° wird die Traubensäure zum Teil
in die inaktive Weinsäure umgewandelt, während umgekehrt die letztere beim Erhitzen zum Teil in Traubensäure übergeht. Wasserfreie
Traubensäure schmilzt bei 206°.
Die inaktive Weinsäure, Mesoweinsäure oder Paraweinsäure entsteht durch Oxydation von Sorbin und Erythrit, durch Oxydation von Maleïnsäure
und beim Erhitzen von gewöhnlicher Weinsäure mit Wasser auf 170°. Sie bildet verwitternde rechtwinklige Tafeln, die bei 143° schmelzen.
Sie ist optisch inaktiv, kann aber nicht in die aktiven Weinsäure zerlegt werden. Das saure Kaliumsalz
dieser Säure ist in Wasser leicht löslich. Praktische Bedeutung besitzt von allen Isomeren nur die Rechtsweinsäure. -
Vgl.
Rasch, Die Fabrikation der Weinsäure (Berl. 1897).