Titel
Württemberg
[* 2] (früher Wirtemberg, hierzu die
Karte »Württemberg«
),
Königreich in Süddeutschland, seiner Größe nach der dritte, der Einwohnerzahl nach der vierte der deutschen Bundesstaaten, grenzt gegen N. an Bayern [* 3] und Baden, [* 4] gegen Westen und S. an dieselben Länder sowie an den Bodensee und die hohenzollerischen Lande, im O. wieder an Bayern. Im N. berührt es noch eine Exklave (Wimpfen) des Großherzogtums Hessen, [* 5] und im S. ist es durch den Bodensee von der Schweiz [* 6] getrennt. Als Exklaven liegen im Badischen und in Hohenzollern je fünf Ortschaften.
Physische Beschaffenheit.
Die Hauptgebirge des
Landes sind der
Schwarzwald und die
Alb.
Der von diesen
Gebirgen nicht bedeckte übrige Teil des
Landes gehört
der oberschwäbisch-bayrischen
Hochebene und dem schwäbisch-fränkischen Terrassenland an. Der württemberg
ische
Schwarzwald
(s. d.) macht ungefähr ein Drittel, nämlich das nördlichste
Stück und einen Teil vom nordmittlern
Stück, des ganzen
Schwarzwaldes aus und erstreckt sich von der Gegend von
Schramberg
im S. bis in die Gegend von
Neuenbürg in einer
Länge von 80 km. Die höchsten
Punkte des württemberg
ischen
Schwarzwaldes sind
an der
Hornisgrinde der
Katzenkopf (1151
m) und der
Kniebis mit dem Roßbühl (964 m). Die
Alb oder der schwäbische
Jura (s.
Jura, S. 327) zieht sich von einer
Grenze des
Königreichs bis zur andern und zerfällt in folgende Teile:
Heuberg mit
dem 1014 m hohen
Lemberg,
[* 7] Hohenzollernalb,
Rauhe Alb
(Uracher, Münsinger, Blaubeurer,
Ulmer
Alb), Hochsträß,
Albuch,
Härdtfeld.
Südlich von der Alb dehnt sich, zu der oberschwäbisch-bayrischen Hochebene gehörig, ein von Westen nach O. 50-60 km, von N. nach S. ca. 70 km sich erstreckendes Gebiet aus, das von einer etwa 580 m hoch liegenden Wasserscheide sich nach S. zum Bodensee, nach N. zur Donau abdacht. Das breite Wiesenthal der Schussen teilt die südliche Abdachung in zwei fast gleich hohe Plateaus (650-750 m), auf deren Oberfläche zahlreiche kleine Seen liegen. Der bedeutendste Höhenzug im Innern des Plateaus, von der Schussen und ihren Zuflüssen durchsetzt, führt den Namen Altdorfer Wald.
In der südöstlichen Ecke des Donaukreises erhebt sich als Ende des aus Bayern hereinziehenden Alpenlandes der Gebirgsstock der Adelegg mit dem Schwarzen Grat (1118 m). Nördlich von der genannten Wasserscheide flacht sich das von moorigen Wiesengründen durchschnittene Land zur Donau ab, deren Spiegel [* 8] bei Ulm [* 9] noch 464 m ü. M. liegt. Die nördlichste Höhe ist hier der isoliert sich erhebende Bussen (765 m) östlich von Riedlingen. Östlich vom Schwarzwald und nördlich von der Alb breitet sich das schwäbische und fränkische Terrassenland aus, das Gebiet des Muschelkalks und Keupers.
Die bedeutendsten
Höhen liegen im S., wo die von
Donaueschingen bis gegen
Rottweil
[* 10] sich erstreckende Hochfläche, die
Baar genannt,
715-780 m Meereshöhe hat. Die zu beiden Seiten des obern
Neckar bis
Horb sich ausdehnenden
Flächen haben ein
Niveau von 715-520
m Meereshöhe, ein gleiches das von der
Nagold durchflossene, den Ostrand des untern
Schwarzwaldes begleitende
Plateau des obern
Gäus. Östlich von diesem breiten sich der
Schönbuch, die
Filder und das Strohgäu aus, Plateaulandschaften
von 550-650 m
Höhe, in welchen zwischen
Stuttgart
[* 11] und
Reutlingen
[* 12] der Keuper vom schwarzen
Jura oder
Lias überlagert ist. Württemberg
ist
das
Land des
Neckar und seiner Zuflüsse. An das Hügelland des obern
Neckar von
Rottweil (542 m) bis
Plochingen (247 m) schließt
sich zuerst an: zwischen
Neckar,
Fils und
Rems, als die erste jener Keuperberggruppen seitwärts vom
Neckar,
nach
O. der bis 512 m ansteigende
Schurwald;
weiterhin in dem durchschnittlich unter 320 m absinkenden Plateau- und Hügelland zwischen Neckar, Enz und dem Rheinthal der Stromberg (bis zu 473 m) und der Heuchelberg (bis zu 316 m) nebst mehreren kleinern, ebenfalls von Westen nach O. streichenden Parallelzügen zwischen Heilbronn, [* 13] Bietigheim und Bretten.
Das Niveau des Neckar sinkt bei Heilbronn bis 150 m, bei Böttingen bis 135 m herab. Nördlich von Albuch und Härdtfeld, zwischen Rems, Kocher und Jagst, breiten sich höhere Plateaus aus, die zum Teil in niedern Bergzügen endigen: der Welzheimer Wald, der Mainhardter Wald, die Waldenburger und die Löwensteiner Berge, diese sämtlich westlich vom Kocher, die Limpurger Berge zwischen Kocher und Jagst, die Ellwanger Berge und das Krailsheimer Hardt im O. der Jagst. Dieses gesamte Gebiet hat an wenigen Punkten unter 400 m, nirgends über 650 m Höhe.
Tiefer liegen die fruchtbareren, nach NW. längs des Kocher, der Jagst und der Tauber bis an den Main und Odenwald sich ausdehnenden Plateaus, nämlich die Haller Ebene, die sich von Hall [* 14] gegen O. bis Kirchberg erstreckt, und die größere Hohenloher Ebene, die von Öhringen bis Rothenburg [* 15] an der Tauber reicht. Noch milderes Klima [* 16] hat die bis zu 140 m sinkende Gegend um den Einfluß des Kocher und der Jagst in den Neckar, wo die beiden erstern Flüsse [* 17] durch den Hardthäuser Wald auseinander gehalten werden.
Württemberg
hat in allen Teilen schöne und fruchtbare
Thäler. Das Rheinthal berührt zwar Württemberg
nur mit dem Bodenseekessel,
nimmt aber das Hauptthal des
Landes, das Neckarthal, und mehrere Nebenthäler auf. Der kleinere Teil des
Landes gehört zum
Donaugebiet. Die
Donau betritt dasselbe unweit
Tuttlingen,
[* 18] verläßt es bald bei
Fridingen und erreicht es bei
Scheer wieder,
um es bis
Ulm in nach
NO. gerichtetem
Lauf zu durchströmen und hier nach insgesamt 175 km langem
Lauf nach
Bayern überzutreten.
Sie nimmt in Württemberg
von rechts her auf: die Ablach, Ostrach, Kanzach und Schwarzach, Stehen, die
Riß mit der Alten
Riß und Umlach,
die Westernach, von der Rottum und Dürnach gebildet, die
Roth, die
Iller mit der Weihung, Aitrach und
Ausnanger
Ach;
von links her: die Elta, Schmie, Lauchart, Ach, Lauter, Schmiechen, Blau, Nau, Brenz und Egge. [* 19]
Der größere Teil des
Landes ist Rheingebiet und zwar durch den
Neckar, den Hauptfluß Württembergs.
Er entspringt im äußersten Südwesten des
Landes, wo der
Schwarzwald und die
Alb in der
Baar zusammenstoßen, tritt unterhalb
Sulz ins
¶
Maßstab [* 21] 1:850000
Zum Artikel »Württemberg«.
^[Farbkarte »Württemberg und Hohenzollern«] ¶
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Hohenzollerische, aber bald wieder nach Württemberg über und durchfließt es in nach N. gerichtetem Laufe, von Kochendorf bis Gundelsheim die Grenze gegen die großherzoglich hessische Parzelle Wimpfen und gegen Baden bildend und hier das Land nach einem 281 km langen Lauf verlassend. Er wird von Rottweil an mit Flößen, von Heilbronn an mit Schiffen (jetzt auch mittels Kettenschiffahrt) befahren. Seine wichtigsten Zuflüsse sind von rechts her: die Prim, Schlichem, Eyach, Echaz, Erms, Fils, Rems, Murr, der Kocher und die Jagst;
von links her: die Eschach, Glatt, Nagold, Glems, Enz, Zaber und der Leinbach.
Unmittelbar dem Rhein fließen zu: die kleinen Flüßchen Alb, Pfinz, Salzach und Kraich, dann die Kinzig und die Murg mit der Schönmünzach. In den Bodensee münden: die Rothach, die Schussen und die Argen. Ein Nebenfluß des Mains ist die Tauber, welche den nördlichsten Teil Württembergs auf eine Strecke von 43 km durchfließt. Seen und Weiher gibt es in Menge, besonders im S. der Bodensee, von welchem 115 qkm Württemberg angehören, der Federsee bei Buchau im Oberamt Riedlingen, 250 Hektar groß, und mehrere Weiher in Oberschwaben.
Mineralquellen zählt man über 70, teils alkalische Wässer von erhöhter Temperatur (die Schwarzwaldthermen von Liebenzell und Wildbad) und von gewöhnlicher Temperatur (an vielen Orten im Buntsandstein und dem Sand und Kiesschutt des oberschwäbischen Landes), teils Kohlensäuerlinge (Göppingen, [* 23] Jebenhausen, Überkingen, Dizenbach etc.), teils salinische Säuerlinge (Kannstatt, [* 24] Niedernau, Teinach), teils Solen (Jagstfeld, Hall, Sulz und Rottweil), endlich Schwefelquellen (Reutlingen, Sebastiansweiler, Boll).
Das Klima Württembergs ist gemäßigt, infolge der bedeutenden Erhebung im S. weniger warm als im N. Das mildeste Klima haben die Gegenden am mittlern und untern Neckar und am Bodensee. Die mittlere Jahrestemperatur bewegt sich zwischen 9,8° C. in Kannstatt am Neckar und 5,9-7,5° auf der Münsinger Alb, in der Baar, auf dem Schwarzwald und im Algäu. Die letzten drei sind reicher an Niederschlag als das übrige Land. Das durchschnittliche Verhältnis der östlichen und nördlichen Winde [* 25] ist 38 von 100 der südlichen und westlichen 62 von 100. Die Zahl der jährlichen Gewitter ist 21, ihr herrschender Zug von Westen.
Areal und Bevölkerung.
Kreis | QKilom. | QMeilen | Einwohner 1885 | Auf 1 qkm |
---|---|---|---|---|
Neckarkreis | 3327 | 60.43 | 639398 | 192 |
Schwarzwaldkreis | 4773 | 86.70 | 475277 | 100 |
Jagstkreis | 5139 | 93.35 | 405085 | 79 |
Donaukreis | 6265 | 113.80 | 475425 | 76 |
Zusammen: | 19504 | 354.28 | 1995185 | 102 |
Seit der Volkszählung von 1880 betrug die jährliche Zunahme der Bevölkerung [* 26] 0,65 Proz. Die Zahl der Auswanderer belief sich 1888 auf 6445 Personen. Die am dichtesten bevölkerten Bezirke sind die vom Neckar durchflossenen von Eßlingen [* 27] bis Heilbronn, am schwächsten bevölkert die auf der Alb und im südöstlichen Oberschwaben gelegenen. Von den Städten zählten 1885: 11 über 10,000 Einw., nämlich: Stuttgart, Ulm, Heilbronn, Eßlingen, Kannstatt, Reutlingen, Ludwigsburg, [* 28] Gmünd, [* 29] Tübingen, [* 30] Göppingen, Ravensburg; [* 31]
weitere 16 Städte und 3 Pfarrdörfer zählten von 5085-9126 Einw. Nach dem Geschlecht zählte man 1885: 960,810 männliche und 1,034,375 weibliche Personen.
Unter 10,000 Einwohnern waren 6107 ledig, 3291 verheiratet, 589 verwitwet und 13 geschieden. 1887 fanden 12,790 Eheschließungen statt, es wurden 72,828 Personen geboren, und 48,388 starben. Unter den Gebornen waren 9,89 Proz. unehelich und 3,47 Proz. Totgeborene. Nachdem religiösen Bekenntnis zählte man 1885: 1,377,805 Protestanten, 598,223 Katholiken, 13,171 Israeliten und 5986 von andern Bekenntnissen. Die Bewohner sind größtenteils alemannisch-schwäbischen, in der kleinern Nordhälfte des Landes fränkischen Stammes.
Bildungsanstalten.
Die geistige Kultur steht in Württemberg von alters her auf einer hohen Stufe. Die Volksschulen, mit Schulzwang vom 7.-14. Lebensjahr, und die obligatorischen Sonntagsschulen für die Jugend bis zum 18. Jahr, soweit dieselbe nicht die gewerblichen und landwirtschaftlichen Fortbildungsschulen besucht, sind Konfessionsschulen mit gemischt staatlich-kirchlicher Lokalaufsicht; die Oberschulbehörde für die evangelischen Schulen ist das evangelische Konsistorium, für die katholischen der Kirchenrat.
Öffentliche Bildungsanstalten für den Schuldienst sind: die evangelischen Schullehrerseminare zu Eßlingen, Nürtingen, Künzelsau und Nagold, die katholischen zu Gmünd und Saulgau und das evangelische Lehrerinnenseminar in Markgröningen. Für unbemittelte Waisen bestehen die Waisenhäuser in Stuttgart, Ochsenhausen und Markgröningen als öffentliche Erziehungs- und Unterrichtsanstalten. In Gmünd ist eine Taubstummen- und Blindenanstalt, und mit den Lehrerseminaren in Eßlingen, Nürtingen und Nagold sind Filialanstalten für taubstumme Zöglinge verbunden. An dem königlichen Katharinenstift in Stuttgart ist ein Seminar für höhere Lehrerinnen eingerichtet.
Schulen für gelehrte Bildung sind: die lateinischen Schulen, deren im ganzen Land 66 bestehen;
4 Lyceen (zu Ludwigsburg, Öhringen, Eßlingen, Kannstatt) und 10 Gymnasien (zu Ehingen, Ellwangen, Hall, Heilbronn, Ravensburg, Reutlingen, Rottweil, Stuttgart [2], Tübingen und Ulm).
Der gelehrten und praktischen Ausbildung dienen 2 Reallateinschulen, 3 Reallyceen und 2 Realgymnasien (Stuttgart, Ulm). Zur Vorbildung der dem evangelisch-geistlichen Stand sich widmenden Jünglinge für das Universitätsstudium sind 4 niedere theologische Seminare (zu Maulbronn, Schönthal, Blaubeuren und Urach) bestimmt; eine höhere theologische Studienanstalt ist das evangelische Seminar, das altberühmte »Stift«, zu Tübingen. Ebenso gibt es zu demselben Zweck 2 niedere katholische Konvikte (zu Ehingen und Rottweil) und ein höheres (Wilhelmsstift) zu Tübingen.
Die Landesuniversität (Eberhard Karls-Universität) daselbst wurde 1477 gestiftet und besteht jetzt aus den 4 alten Fakultäten: der evangelisch-theologischen, der juristischen, der medizinischen und der philosophischen, weiter seit 1817 der katholisch-theologischen, seit 1818 einer staatswissenschaftlichen und seit 1863 einer naturwissenschaftlichen Fakultät. Für die praktische Ausbildung der Kandidaten des katholischen Priesterstandes, welche das Universitätsstudium absolviert haben, sorgt das Priesterseminar zu Rottenburg.
Anstalten für gewerbliche Bildung sind: die polytechnische Schule, die Baugewerkschule, die Kunstgewerbeschule und die höhere Handelsschule zu Stuttgart, 13 höhere Realanstalten, 61 Realschulen, die zahlreichen gewerblichen und landwirtschaftlichen Fortbildungsschulen, Industrieschulen und Frauenarbeitsschulen, 5 Haushaltungsschulen, endlich die Webschulen in Heidenheim und Reutlingen. Öffentliche Fachschulen sind: die landwirtschaftliche Akademie zu Hohenheim, die Ackerbauschulen zu Ellwangen, Ochsenhausen, Kirchberg und Hohenheim, ¶
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die Tierarzneischule zu Stuttgart, die Weinbauschule zu Weinsberg, 5 landwirtschaftliche Kreiswinterschulen, die Kunstschule zu Stuttgart, das Konservatorium für Musik daselbst, die Landeshebammenschule ebenda. - Als Anstalten und Mittel zur Beförderung der Wissenschaften und Künste sind zu erwähnen: das königliche Statistische Landesamt, der Verein für vaterländische Naturkunde zu Stuttgart mit mehreren Zweigvereinen, der Litterarische (Bibliophilen-) Verein zu Stuttgart-Tübingen, die historisch-archäologischen Vereine zu Stuttgart, Ulm, Hall, Heilbronn, Tettnang-Friedrichshafen, Rottenburg, Rottweil, der Verein für Baukunde, das Konservatorium für die vaterländischen Kunst- und Altertumsdenkmäler etc.; endlich die wissenschaftlichen und Kunstsammlungen der Hauptstadt, nämlich die öffentliche Bibliothek mit ca. 450,000 Nummern, die Münz- und Medaillen-, Kunst- und Altertümersammlung, das Naturalienkabinett mit ca. 320,000 Stück, das Museum der bildenden Künste und das Gewerbemuseum.
Land- und Forstwirtschaft. Bergbau.
Mit der Landwirtschaft, die infolge des günstigen Klimas und der Bodenbeschaffenheit in der verschiedenartigsten Gestalt betrieben wird, ist nahezu die Hälfte der ganzen Bevölkerung beschäftigt. Ihrer Förderung dienen außer den genannten Lehranstalten: eine königliche Zentralstelle zu Stuttgart, Gau- und Bezirksvereine, Landesvereine für den Weinbau, den Gartenbau, die Bienenzucht. [* 33] Den Ackerbau hemmt teilweise die große Zerstückelung im Lande; doch nimmt seit dem Gesetz vom die Feldbereinigung betreffend, die Zahl der Gewannregulierungen und Feldweganlagen in den Gemeinden rasch zu. Nach der Aufnahme von 1883 entfallen 46,3 Proz. des Areals auf Äcker, Gärten und Weinberge, 14,7 auf Wiesen, 4,7 auf Weiden, 30,8 Proz. auf Forsten und Holzungen.
Den ergiebigsten Boden für den Getreidebau bieten Oberschwaben und der nordöstliche Teil des Jagstkreises. Bevorzugte Frucht ist der Dinkel (Spelz), nächst diesem der Hafer, [* 34] womit 1887: 184,419, resp. 136,099 Hektar angebaut waren. Roggen wird als allgemeine Brotfrucht in den nordöstlichen Teilen des Landes und im Schwarzwald gebaut. Mais ist in allen mildern Landesteilen eine bevorzugte Körnerfrucht. Von Hülsenfrüchten werden Erbsen und Linsen überall, zum Teil als Brotfrucht, gebaut; auch Ackerbohnen dienen häufig als Zusatz zum Brot. [* 35] Wickenbau ist im ganzen Land verbreitet.
Der Ertrag der wichtigsten Feldfrüchte ergab 1887 folgende Mengen: 41,892 Ton. Roggen, 37,909 T. Weizen, 199,039 T. Spelz, 106,372 T. Gerste, [* 36] 126,677 T. Hafer, 665,376 T. Kartoffeln. Sehr umfangreich ist der Anbau von Wurzel- und Knollengewächsen, Kartoffeln, Runkelrüben zur Zuckerfabrikation und zu Viehfutter, Steckrüben, weißen Rüben, Möhren, nicht unbeträchtlich der Bau der Zichorie. Überall wird Sauerkraut, d. h. Kopfkohl (der beste auf den Fildern), gepflanzt.
Auch den Handelsgewächsen ist eine große Fläche zugewiesen, obgleich der Raps- und Rübsenbau und jetzt auch, infolge der gedrückten Preise, der Hopfenbau eher in der Abnahme begriffen ist. Letzteres gilt auch vom Flachs, nur der Tabaksbau hat neuerdings etwas zugenommen (von 207 Hektar in 1885 auf 314 Hektar in 1887). Mehrere Gegenden Württembergs stehen durch Gemüsebau und Nutzgärtnerei in großem Ruf, so namentlich die Umgegend von Stuttgart, Eßlingen (Zwiebeln), Ulm (Spargel), Heilbronn und das Remsthal bis Schorndorf.
Wiesen finden sich in großer Ausdehnung [* 37] vor (1887 wurde der Ertrag auf 1,014,047 Ton. Heu berechnet), namentlich in den Thälern und an den Ufern der zahlreichen Flüsse, Weiden besonders in den obern Neckargegenden, auf und längs der Alb sowie in den oberländischen Oberamtsbezirken Wangen, Leutkirch und Waldsee. Der Landwirtschaft dient die Fabrikation künstlicher Dungmittel (ca. 20 Etablissements). Dieselbe wird durch eine Versuchsstation in Hohenheim kontrolliert.
Der Weinbau ist in Württemberg seit alten Zeiten einheimisch und über den größten Teil des Neckarthals mit den Thälern von ca. 30 Nebenflüssen desselben, das Tauberthal und seine Seitenthäler sowie die Bodenseegegend in ca. 600 Ortschaften verbreitet. Das vorzüglichste Produkt wächst im Neckarthal von Eßlingen an abwärts, im Tauberthal und in der Gegend von Öhringen sowie bei Maulbronn (Elfinger). In den 60 Jahren von 1827 bis 1886 belief sich der Weinertrag jährlich im Durchschnitt auf 415,212 hl oder 2241 Lit. von 1 Hektar der tragbaren Weinbaufläche; der Geldwert des Naturalertrags auf 8,546,105 Mk. jährlich oder 461 Mk. vom Hektar.
Von großer Wichtigkeit ist auch der Obstbau, welcher fast über alle Gegenden des Landes, selbst über einen Teil des Schwarzwaldes und der Alb verbreitet ist. Hauptsitze des Obstbaues sind: das mittlere und untere Neckarthal, die Gegend von Herrenberg, die Filder und die an das Neckarthal sich anschließenden Thäler der Alb. Die gewöhnlichsten Obstarten sind: Äpfel, Birnen, Zwetschen, Kirschen, Quitten, Pfirsiche und Aprikosen. In geringerer Quantität werden Nüsse und an der Schwarzwaldabdachung gegen den Rhein Kastanien gebaut. Der Ertrag an Kernobst beläuft sich durchschnittlich auf 1,100,000, an Steinobst auf ca. 200,000 Doppelzentner.
Ein höchst bedeutender Erwerbszweig ist die Viehzucht. [* 38] Man zählte im Lande 1883: 96,885 Pferde, [* 39] 904,139 Stück Rindvieh, 550,104 Schafe, [* 40] 292,206 Schweine, [* 41] 54,876 Ziegen, 25,529 Bienenstöcke, 181,947 Gänse, 121,857 Enten, [* 42] 1,660,450 Hühner. [* 43] Die Pferdezucht [* 44] erfreut sich bedeutender Unterstützung von seiten des Staats, welcher in neuerer Zeit den früher bevorzugten leichten Schlag zu verstärken bedacht ist. Es besteht ein Landesstammgestüt mit vier Gestütshöfen: Marbach und Offenhausen im Oberamt Münsingen, Güterstein und St. Johann im Oberamt Urach dazu mehrere Fohlengärten.
Die Rindviehzucht ist im Jagst- und Donaukreis am bedeutendsten. Auf den höhern Punkten des Algäus und des Schwarzwaldes, wo der Ackerbau nicht mehr lohnenden Ertrag gibt, findet reine Weidewirtschaft statt. Nach der Rindviehzucht ist die Schafzucht am bedeutendsten, welche besonders in den Bezirken auf und nächst der Alb ihren Sitz hat. Die Schweinezucht ist in der Zunahme begriffen. In der neuern Zeit hat sich die Hundezüchtung in Leonberg und Stuttgart einen Namen gemacht.
Die Bienenzucht wird durch mehrere Gauvereine gefördert. Ein eigentümlicher Erwerbszweig in der obern Donaugegend ist endlich die Schneckenzucht. Edelwild findet sich als Standwild nur in den ausgedehnten Laubholzforsten. Die Fischerei [* 45] hebt sich etwas, seit die künstliche Fischzucht durch Staatsprämien und Vereine gefördert wird. Die Waldungen erfreuen sich einer vorzüglichen Bewirtschaftung und Benutzung. 32,2 Proz. sind Staats-, 13,6 hofkammerliche und gutsherrliche, 22,3 Privat- und 31,9, Körperschaftswaldungen, von welch letztern 76 Proz. der Staatsforstverwaltung zur Bewirtschaftung übergeben sind. Nadelholz herrscht vor auf dem Schwarzwald, in Oberschwaben und dem Ellwanger, Limpurger und Welzheimer Wald, Laubholz auf der Alb und im Mittel- ¶