Titel
Zürichsee
(Kt. Zürich,
Schwyz
und St. Gallen).
Der Zürichsee
ist der viertgrösste aller Schweizerseen. Er ist wie der
Bodensee ganz in die Molasse
eingelagert und entbehrt deswegen wie jener den Reiz des Hochgebirgs, wenngleich nicht in so starkem
Masse, da der
Obersee schon den stattlichen Voralpenstöcken
Hirzli,
Schänniserberg und
Speer recht nahe gerückt ist.
Wegen
seiner sanften Ufer und vielen idyllischen Buchten hat man ihn den lieblichsten der Schweizerseen genannt.
1. Name.
Die früheste Erwähnung des Zürichsees
findet man in der Vita St.
Galli aus dem 8. Jahrh., wo er lacus
de Turegum heisst. Später (1250) wird er lacus Turicinus genannt; aber schon 1286 erscheint zum erstenmal der Name Zürichse,
der als «Zürichsee»
bis in die Gegenwart geblieben ist. Die Bezeichnung
«Zürichersee» auf den neuern Karten ist offenbar nur eine
Analogiebildung, ähnlich wie
Zugersee,
Genfersee etc., wird aber nirgends gesprochen oder sonst geschrieben.
2. Karten.
Die älteste Darstellung des Zürichsees
findet man auf der Schweizerkarte von Tschudi (1538), allerdings mit vielen Unrichtigkeiten.
Schon besser ist die Umgrenzung auf der Karte vom Zürichbiet von Joost
Murer (1566). Viel genauer ist
unser
See auf der vorzüglichen Gygerkarte (1667) im Massstab 1:32000 dargestellt. Eine noch für die Jetztzeit mustergiltige
Darstellung bringt die Dufourkarte (1834-1864) im Massstab 1:100000. Die Aufnahmen dazu wurden im Seegebiet 1843-1851 von
Ingenieur J. Wild gemacht und später in
¶
Zürichsee
Lief. 280.
GEOGRAPHISCHES LEXIKON DER SCHWEIZ
Verlag von Gebrüder Attinger, Neuenburg.
^[Karte: 6° 20’ O; 47° 15’ N; 1:160000]
Flächeninhalt | 87 Km2 |
Höhe des Wasserspiegels | 409.2 m |
Grösste Tiefe | 143 m |
Aequidistanz der Kurven | 40 m |
Pfahlbauten n. J. Heierli | Ж |
Pfahlbautenspuren n. J. Heierli | ж |
Mce. BOREL & Cie. – NEUCHÂTEL nach der eidg. Karte 1:25000
Nach Prof. Dr. C. Dändliker
ATTINGER SC.
mehr
1:25000 im Siegfriedatlas publiziert. Die Tiefenmessungen (erste genaue Auslotung eines grössern Schweizersees) wurden für 1210 Punkte im eigentlichen Zürichsee und 460 Punkte im Obersee durchgeführt, also 19,2 Punkte pro km2. (Genfersee 20,8; Bodensee 20,7; Neuenburgersee 9,7 Punkte pro km2). Die genaueste Karte der Seeufer wurde 1850-52 von der Zürcher Regierung in 1:1000 erstellt. Diese nicht publizierte sog. Seekarte (in 59 Blättern) wird heute noch zum Eintragen aller Veränderungen des Seeufers benutzt. Eine handliche Karte in Reliefton wurde in den letzten Jahren von Kümmerly und Frey in Bern in 1:50000 herausgegeben.
3. Geographische Lage.
Der Zürichsee, dessen Mitte unter 47° 14' 00" nördl. Br. und 6° 21' 50" östl. Länge von Paris liegt, erstreckt sich über 0,4156 Längengrade (= 0° 24' 56") und 0,1761 Breitengrade (= 0° 10' 34").
O. Länge | N. Br. | |
---|---|---|
Südlichster Punkt bei Rotbach zwischen Lachen und Altendorf | 6° 30' 20" | 47° 11' 28" |
Nördlichster Punkt: Quaibrücke in Zürich | 6° 12' 30" | 47° 22' 2" |
Differenz | 0° 17' 50" | 0° 10' 34" |
Oestlichster Punkt oberhalb Schmerikon | 6° 36' 48" | 47° 13' 22" |
Westlichster Punkt beim Muraltengut zwischen Enge und Wollishofen | 6° 11' 52" | 47° 21' 8" |
Differenz | 0° 24' 56" | 0° 7' 46" |
4. Morphologie.
Gestalt. Der Zürichsee ist durch eine starke Einschnürung, den Damm von Rapperswil, in zwei nur durch zwei enge Wasserstrassen verbundene Becken getrennt: den Obersee und den eigentlichen Zürichsee. Gewöhnlich führt nur das untere, grössere Becken, das fast ganz vom Zürcher Lande umschlossen ist, den Namen Zürichsee, ähnlich wie das auch beim Bodensee und Untersee der Fall ist. Der Zürichsee hat annähernd die Form eines Ringstückes von etwa 24 km Radius, und zwar lässt sich ein Streifen von 600 m Breite mit diesem mittlern Krümmungshalbmesser so in den See legen, dass (abgesehen von der Hurdner Landzunge) vom Einfluss der Linth bis zum Ausfluss der Limmat keines der beiden Ufer gestreift wird.
Der Mittelpunkt dieses Kreises liegt etwas nördl. des Dorfes Wila im Tössthal, der Zentriwinkel bestimmt sich zu 94° 16' und die zugehörige Sehne ist 354 km lang. Die Länge des Sees misst 39,5 km (Hauptbecken 28 km, Obersee 11,5 km). Die grösste Breite des Sees zwischen dem Bachdelta unterhalb Kehlhof-Stäfa und der Stelle beim Inselchen Schönenwerd oberhalb Richterswil beträgt 3,85 km und die geringste Breite auf der Strecke Rapperswil-Zürichhorn, zwischen dem Küsnachterhorn und der Rotfarb Rüschlikon 1,57 km. Die mittlere Breite des ganzen Sees beträgt 2,2 km, (für das Hauptbecken allein 2,4 und für den Obersee 1,7 km). Die auf beiden Seiten des geometrischen Ringstückes gelegenen Partien des Sees sind ungefähr gleich gross.
Bemerkenswerte Abweichungen von der allgemeinen Ringform bilden vor allem die Kapuzinerbucht bei Kempraten, sodann die Bucht von Richterswil mit dem kleinen Wallensee bei der Bächau, ebenso die Bucht von Lachen und der Frauenwinkel bei Pfäffikon. Die kleinen, zu Hafenanlagen benutzten und mit Schutzmauern versehenen Buchten werden «Haab» genannt, die grössern (wie in Horgen, in Herrliberg u. s. w.) heissen «Sust». Landpartien, die in den See hineinragen, sind die Deltaanlagerungen («Horn» genannt) vom Hornbach bei Zürich, vom Küsnachterbach, vom Feldbach und am Obersee die Delta der Jona und der Wäggithaler Aa. Dazu kommen die Rapperswiler Halbinsel, die Au bei Horgen (0,4 km2), die Bächau (0,13 km2) und die Landzunge von Hurden (0,6 km2), die drei letztern glazialen Ursprungs. Da alle diese Abweichungen nur klein sind, vermögen sie die Ringform des Sees nicht wesentlich zu beeinflussen.
Von Zürich aus ergibt sich die längste mögliche Sichtlinie über die freie Wasserfläche vom Arboretum in der Enge nach Naglikon unterhalb der Halbinsel Au: sie misst 14,5 km. Die Wölbung der Wasseroberfläche zwischen diesen beiden Punkten berechnet sich zu 4,14 m. Die längste Visur über die Seefläche überhaupt, von Ludretikon-Thalwil bis Pfäffikoner Schloss misst 19 km; die Wölbung hiefür ist 7,10 m, während sie für die grösste Breite nur 0,29 m beträgt.
Die gesamte Uferlänge (ohne Berücksichtigung der ganz kleinen Einbuchtungen und Vorsprünge) misst 93 km (= 19,4 Wegstunden). Hieran partizipieren: der Kant. Zürich mit 52 km (links 25, rechts 27 km), der Kant. Schwyz mit 25 km (Hauptbecken 10, Obersee 15 km), der Kant. St. Gallen mit 16 km (Hauptbecken 3,5 und Obersee 12,5 km). Beim Dreiländerstein, nahe dem südl. Ende des Rapperswiler Dammes treffen sich die 3 Kantonsgrenzen.
Die Oberfläche des Zürichsees beträgt bei mittlerm Wasserstand etwa 87 km2 (Hauptbecken 67, Obersee 20). Sie verringerte sich infolge von künstlichen Landanlagen fortwährend, doch nicht um vieles; so in den 50 Jahren 1857-1906 im Kant. Zürich rund um 1100000 m2 oder etwa 1½%. Die Auschüttungen betragen:
m2 | |
---|---|
Quaibauten in Zürich (1812-1887) | 164550 |
Quaibauten am Mythenquai (seit 1899) | 105000 |
Gesamte Quaibauten in Zürich: | 269550 |
Uebrige Ausfüllungen im Zürcher Seegebiet (1857-1906) | 818915 |
Total der Ausfüllungen im Zürcher Seegebiet (seit 1857): | 1088465 |
oder durchschnittlich per Jahr | 21769 |
Die Fläche dieser Auffüllungen würde, auf das gesamte 52 km lange zürcherische Ufer gleichmässig verteilt, einen Streifen von 21 m ergeben. Diese Erweiterung der Ufer wird künftig weniger gross sein, da man (namentlich im untern Teil) meistenorts bereits bis an die Halde vorgerückt ist. Die kaum in Betracht fallenden Vergrösserungen der Seefläche infolge von Ufereinbrüchen betrug 1860-1906 nur etwa 15000 m2.
Der kubische Inhalt des ganzen Sees wird zu rund 4000 Millionen m3 angegeben, wonach sich die mittlere Tiefe zu 46 m berechnet. Da das Hauptbecken rund 3600 Mill. m3 und der Obersee rund 400 Mill. m3 fassen, ergeben sich die mittleren Tiefen dieser Seeteile zu etwa 54, bezw. 20 m.
Die grösste gelotete Tiefe des ganzen Sees in der Richtung Steinrad-Herrliberg nach Tischenloo-Oberrieden, 800 m vom rechten und 1050 m vom linken Ufer entfernt, beträgt 143 m. Die tiefste Stelle im Obersee zwischen Oberbolligen und Guntlinweid-Buchberg, etwa 700 m vom rechten Ufer entfernt, liegt 50 m unter dem Wasserspiegel.
An Inseln hat der See nur die Ufenau und Lützelau ¶
mehr
aufzuweisen, wenn man von dem kleinen Inselchen Schönenwerd (5,2 Aren) bei Richterswil absieht, welches offenbar nur eine künstlich erhöhte Delta-Sandanhäufung darstellt. Während die Ufenau (Eigentum des Klosters Einsiedeln) mit einem Flächeninhalt von 10,3 ha einen Meierhof, 1 Kirche, 1 Kapelle und einen kleinen Turm trägt, findet sich auf der Lützelau (3 ha) nur etwas altes Gemäuer, welches von einem frühern Kloster herrühren soll. Eine zeitlang wurden hier die vorzüglichen Sandsteine in einem Steinbruch ausgebeutet und in Rapperswil (Eigentümerin der Lützelau) verwendet.
Beide Inseln liegen mit der Nagelfluhbank des Rapperswiler Schlosses in dem selben geologischen Horizont und sind offenbar wegen ihres widerstandsfähigen Materiales bei der Herausmodellierung des Seebeckens von der Erosion verschont worden. Während bei der Lützelau nur die Sandsteinrippe aus dem Wasser hervorschaut, ist auf der Ufenau auch noch die Nagelfluhbank und zwischen beiden ein fruchtbarer Landstrich mit Mergeluntergrund erhalten geblieben. In der Folge wurde die frühere Rapperswiler Insel durch das Jonadelta dem Land angegliedert; Ufenau und Lützelau aber blieben Inseln, allerdings nur durch seichte Röhrichtstellen vom südl. Ufer getrennt.
Neben diesen Inseln gibt es noch einige grössere erratische Blöcke, die aus dem Wasser etwas hervorragen, so der etwa 15 m3 grosse und 33 cm über dem Mittelwasserstand aufragende «Stäfnerstein»; er liegt auf einer 150 m langen und etwa halb so breiten untiefen Stelle, die sich in einer Entfernung von rund 300 m dem Ufer parallel zieht. Bei sehr ausgesprochenem Niedrigwasserstand taucht hier eine dreieckige Insel von 120 m Länge, 30 m Breite und 1500 m2 Fläche über den Seespiegel empor (März 1909). Dann ist zu nennen der «Stierenstein» bei der Au, 25 m3 gross und 48 cm über Mittelwasser. An einigen Stellen nehmen auch eine grosse Zahl erratischer Blöcke an der Uferbildung teil, so bei Kehlhof-Stäfa, beim Rapperswiler Damm, bei Bollingen am Obersee u. s. w.
Andere untiefe Stellen sind: Das «Tannli» bei Rapperswil, ein Nagelfluhriff (Fortsetzung der Schlossnagelfluh),
4 cm unter dem tiefsten Wasserstand (seit 1810). Der «Gubelfelsen», eine Sandsteinbank 59 cm unter dem Mittelwasser, bei tiefem Seestand sichtbar, sonst durch eine Boje markiert. Der «Punkt 405» in der Kapuzinerbucht, etwa 1,5 m unter dem Wasserspiegel, durch ein schwimmendes Holzstück gekennzeichnet; er ist der äusserste Punkt des alten Jonadeltas, als dieselbe noch über Kempraten nach W. floss. Das «Rahmensteinhorn» bei der Ziegelhütte im Aussenfeld-Männedorf, 2 m unter Mittelwasser, zur Zeit nicht markiert. Das «Bergli» bei Wollishofen, eine etwa 1 m tiefe Stelle, die sich durch gelbliche Färbung an der Oberfläche bemerkbar macht, durch 2 Pfähle und ein Tannli markiert. Früher hatte es auch im innern Hafen von Zürich zwei solche Stellen, der «Grosse» und «Kleine Hafner» genannt, die beide Pfahlbautenreste trugen; bei Gelegenheit der Quaibauten wurden dieselben, weil dem Schiffverkehr sehr hinderlich, weggebaggert.
Der eigentliche Seekessel erstreckt sich von Zürich, wo er langsam gegen die Endmoräne ansteigt, nur bis auf die Höhe von Wädenswil und hat bis hieher normale Wannenform. Von hier an ist aber der Seeboden ganz flach und nirgends mehr als 30 m unter dem Seespiegel gelegen. Offenbar muss man diese Erscheinung auf Einschwemmungen von S. her zurückführen und der ziemlich plötzliche Abbruch des unterseeischen Plateaus von Rapperswil bis Wädenswil wird wahrscheinlich durch eine Moräne bedingt, die sich zwischen Wädenswil und Oetikon erstreckt, aber das Seeniveau nicht erreicht. So wird wohl der sehr merkwürdige Verlauf der Tiefenlinie von 385 m gedeutet werden müssen.
Das ursprünglich tiefere Becken südl. dieses Moränenwalls wäre dann nach und nach bis an den Rand ausgefüllt worden. Der Obersee gliedert sich in 2 Becken, von denen das obere bei Bolligen etwa 50 m und dasjenige in der Bucht von Lachen nicht ganz 40 m tief ist. Die ziemlich breite trennende Barre liegt nur etwa 20 m unter dem Seeniveau. Ob dieser etwa 30 m hohe unterseeische Hügelzug, der die Längsrichtung des Sees direkt quert, eine Moräne des Gletscherrückzuges darstellt (was wahrscheinlich ist), kann zur Zeit noch nicht entschieden werden, immerhin finden wir an der betr. nördl. Uferstelle bei Unter-Staffel eine grosse Zahl von erratischen Blöcken.
Die Uferausbildung ist eine ziemlich gleichmässige. Meist ist Flachufer mit nicht allzufernem Steilabfall vorhanden. Steilufer mit eigentlichem Kliff finden wir nur am Untern Buchberg und ein wenig an der Halbinsel Au. Obschon auch bei Herrliberg, nördl. von Stäfa und südl. von Richterswil das Ufer steil ansteigt, ist doch noch Platz für die Strasse und (mit Ausnahme von Stäfa) für die Bahn. Auch den schiefen Hang finden wir selten, während die fast flache Wysse (hier «Boden» genannt) und die steile «Halde» meist miteinander abwechseln. Es entspricht das der übrigen Ausbildung des Ufergeländes, welches in der Regel ausgezeichnet terrassiert ist.
Diese Terrassierung setzt sich auch unter dem Wasserspiegel fort. Da die Brandung überall schwach ist, finden wir die Böden
meist bis an den Rand der Halde mit Schilf bewachsen, sodass eine Karte mit Angabe der sog. Röhrlistellen, wie sie Fischereiaufseher
Hulftegger angelegt hat (aufbewahrt im Rathaus in Zürich),
zugleich auch die Stellen mit vorhandener Wysse angibt.
Die Ausdehnung dieser Böden war früher zweifellos viel grösser, vor allem in der Nähe von Zürich,
aber auch in allen andern Seegemeinden,
sodass schon Oswald Heer 1864 wegen der schwindenden Uferflora klagen konnte. Indem das Ufer durch Mauern und Dämme markiert
wird, gestaltet man es mehr und mehr zum künstlichen Ufer. Eine genaue Prüfung hat gezeigt, dass in den
untern (nördl.) Zürichsee
gemeinden jeweilen nur noch ganz kleine Strecken des Ufers ursprünglich sind (von Zollikon über
Zürich
bis Wollishofen gar keine mehr), während im obern Teil von Uerikon und Bäch an und dann am Obersee ein
viel grösserer Teil noch unverändert erscheint. Im Kanton Zürich
betrug das natürliche Ufer noch:
Jahr 1850 (m) | 1906 (m) | |
---|---|---|
Linkes Ufer | 5200 | 1300 |
Rechtes Ufer | 5400 | 1500 |
Zusammen | 10600 | 2800 |
oder % der Uferlänge | 20,4% | 5,4% |
Es unterliegt keinem Zweifel, dass kein zweiter See der Schweiz in ähnlich hohem Masse der Natürlichkeit seiner Ufer beraubt ist, doch kann man nicht sagen, zu seinem ¶