Dahomé
westafrikan. Negerstaat in Oberguinea [* 2] (s. Karte »Guinea«),
grenzt im W. an Aschanti, im O. an Joruba; nach N. ist die Begrenzung unsicher, nach S. wird es durch die beiden genannten Reiche zusammengedrängt und durch europäische Ansiedelungen vom Meer abgeschnitten, so daß ihm von der Küste (Sklavenküste) nur eine kurze Strecke mit dem wichtigen Hafen Whydah angehört. Der Umfang des Landes wird auf 10,000 qkm (180 QM.) geschätzt. Die Küste ist teilweise von Riffen besäumt und völlig schutzlos, und die Einfahrten in die Flüsse [* 3] bieten infolge der vorliegenden Barren manche Gefahr.
Hinter dem schmalen Küstensaum ziehen Lagunen tief ins Land hinein und verpesten bei niedrigem Wasserstand durch ihre Ausdünstungen die schwüle Atmosphäre. Dann steigt das Land wellenförmig an zu weiten Hochebenen, welche zum Teil mit ausgedehnten, üppigen Wäldern bedeckt sind. Die Bevölkerung, [* 4] deren Zahl einige Reisende auf 900,000, andre dagegen auf nur 150,000 Seelen geschätzt haben, gehört zur Negerrasse; die höhere Klasse ist oft von schönen Gesichtszügen, während die untere durch große Häßlichkeit hervorsticht.
Ihre
Sprache,
[* 5] das
Ewe (grammatisch dargestellt von
Schlegel, Stuttg. 1857), ist nach
Fr.
Müller mit den übrigen
Sprachen der
Küste von
Guinea verwandt; nach
Lepsius schließt sie sich durch den
Gebrauch von Nominalpräfixen auch an den großen
südafrikanischen Bantusprachstamm an. Die Staatsform von Dahomé
bietet das Äußerste einer absoluten
Monarchie; die ganze
Bevölkerung,
selbst die höchsten Würdenträger sind nur Sklaven des Herrschers. Der obersten Beamten sind (nach
Vallons Mitteilungen, 1860) vier: der
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Mehu, der an der Spitze des Handelswesens und der Abgaben steht, die Obergewalt über das Heer hat und alle Verhandlungen vermittelt,
eine der gefürchtetsten Personen des Reichs; der Minghan, der mit der Polizei und der Rechtsverwaltung betraut ist (gleichsam
das Organ des Volkes vor dem König, wie der Mehu das des Königs vor dem Volk); der Tolonnu oder erste Verschnittene,
der absolute Chef des königlichen Hauses, der auch die Aufsicht über die Frauen des Palastes hat, und der Cambodé oder Großkämmerer,
der die Ausgänge des Palastes bewacht, dem König, wenn er ausgeht, den Weg von allen Steinen säubert etc. Nächst
diesen Beamten steht der Avoghan oder Vizekönig von Whydah, der Helfershelfer des Mehu, ohne den niemand mit Dahomé
Handel treiben
kann; sodann der Gao und der Poassu, die beiden Chefs der Armee.
Außerdem gibt es auch weibliche Oberbeamte. Der König ist an die strengste, mit lächerlichen Zügen erfüllte Etikette gebunden. Um etwas von ihm zu erlangen, muß man vor allem seine Favoritinnen durch reiche Geschenke gewinnen; der Einfluß und die Intrigen dieser Frauen sind gewaltig. Dasselbe gilt von der Mutter des Königs, von den Müttern seiner Vorgänger, der Mutter des Mehu, des Minghan etc., die immer Mütter haben, da nach dem Tode der wirklichen Mutter eine andre dazu ernannt wird.
Einmal im Jahr bringt jeder seinen schuldigen jährlichen Tribut, und während der von seinem ganzen Hof [* 7] umgebene König mit der einen Hand [* 8] nimmt, teilt er mit der andern Hand freigebig an die ganze, in Masse nach der Hauptstadt Abomé berufene Volksmenge aus. Dabei aber gehört die scheußlichste Menschenschlächterei zu dem mit völliger Gleichgültigkeit betrachteten religiösen Zeremoniell aller Hoffeste. Zahlreiche europäische Gesandtschaften haben umsonst versucht, diesen Greueln Einhalt zu thun.
Behufs des Verkehrs mit den Unterchefs etc. hält der Hof Racadêrs oder Boten. Der ganze Staat ist militärisch organisiert. Der König wählt selbst die Häuptlinge der Ortschaften, welche die nötigen Krieger auf eigne Kosten zu erhalten haben. Außer der gewöhnlichen Armee bilden 5000 weibliche Krieger die eigentliche königliche Garde, welche auf königliche Kosten unterhalten wird und aus fünf Abteilungen besteht: der Artillerie, mit Säbeln, kupfernen Tromblons und 25-30 Geschützen bewaffnet;
den Elefantenjägerinnen, der tapfersten Schar, die einen blauen Turban mit hohen Hörnern, den Dolch [* 9] im Gürtel [* 10] und eine lange Flinte tragen;
der Infanterie, mit Säbel und Flinte bewaffnet;
den Mäherinnen, mit glänzenden Sturmhauben und 1-1,5 m langen, aufrecht stehenden Sensenklingen, und den Bogenschützen, die ein Elite- und Paradekorps bilden und Bogen [* 11] und Köcher nebst einem kleinen Dolch führen;
letztere sind zugleich die Tänzerinnen ersten Ranges.
Die Offiziere tragen ein silbernes Armband am linken Arm und auf dem Rücken einen Schweif von weißen Baumwollschnüren. In der Armee der Männer bestehen dieselben Abteilungen. Man hat nur Steinschloßflinten und im Land gefertigte schlechte Säbel. Übrigens gilt die Weiberarmee für kriegerischer, tapferer und grausamer als die männliche und ist dem König rücksichtslos ergeben. Kavallerie ist, da es an Pferden fehlt, nicht vorhanden; nur der König und einige Chefs haben das Recht, zu reiten.
Die Nordostgrenze des Reichs ist fortwährend militärisch besetzt, und jede Stadt, in welcher sich eine
königliche Residenz befindet, hat eine Garnison. Die Religion der Dahomeer
ist der gröbste Fetischismus: sie erkennen einen
guten und einen bösen Geist an, verehren
aber besonders den letztern, den sie fürchten. Der im Land verbreitetste Kultus
scheint ein priapischer; die männlichen oder weiblichen Fetische werden angerufen und mit Palmöl begossen.
Die Priester und Priesterinnen werden selbst vom König geehrt.
Erstere, deren Kopf fast immer auf der rechten Seite rasiert ist, kleiden sich sehr reich; die Priesterinnen schmücken ihr
Haar
[* 12] mit Kauris und Perlen, während sonst die Frauen in Dahomé
mit kahlem Kopf gehen; den Oberkörper schmücken Federn
und Halsbänder, außerdem tragen sie einen leichten, durch einen Gürtel festgehaltenen Rock. Soll irgend eine Stelle für geheiligt
erklärt werden, so stellt der Priester dort auf einem gegabelten Stock einen kleinen Topf aus rotem Thon auf, dessen Deckel
etwas Palmöl enthält, und umgibt ihn mit flatternden Bändchen.
Darauf legt jeder Vorübergehende achtungsvoll etwas Nahrung für den Fetisch, der hier haust. Solche
Töpfe trifft man zahlreich im Lande. Die Fetischgötter, aus rotem Thon geformt, stehen am Eingang der Städte und Dörfer,
wo jeder Kaufmann den Zehnten und die heilige Gabe abliefern muß. Man verehrt auch Schlangen,
[* 13] deren sich mehrere Hundert in
einem Haus befinden, und die nachts überall umherschweifen. Die Quelle
[* 14] des Reichtums in Dahomé
ist der Ackerbau, der ziemlich verständig
betrieben wird.
Die Produkte desselben sind: Mais, Hirse, [* 15] Maniok, Bohnen, Yams, süße Bataten und Arachisnüsse, worin die Hauptnahrung des Volkes besteht. Auch alle Arten von Gemüsen gedeihen sehr gut in den Gärten. Auf allen Pflanzungen, die sich weit ausbreiten, werfen Palmenreihen oder die zu Bäumen gewordenen Bohnensträucher ihren schützenden Schatten [* 16] und halten zugleich von den Feldern die schädlichen Wirkungen des Regens und Windes ab. Übrigens bebaut man meist nur hoch gelegene Striche und sanfte Abhänge und zieht tiefe Gräben zur Ableitung des Wassers.
Als Haustiere zieht man in großer Menge Hämmel, Ziegen, große Schweine, [* 17] Truthühner, Hühner, [* 18] Enten, [* 19] Gänse, Tauben [* 20] und Perlhühner. Rebhühner, Wachteln, Turteltauben und Wasservögel sind gemein, Hasen, Hirsche [* 21] und Gazellen dagegen selten. Der Gewerbfleiß liefert Baumwollgewebe, harte Thongefäße in Gestalt von Kalebassen, eiserne Klingen und Ackergeräte, Leder, vegetabilische Seide, [* 22] Farbwaren etc. Aus dem roten Thon, aus dem fast durchweg der Boden besteht, fertigt man harte Blöcke zum Aufbau der endlosen Mauern, welche das Grundeigentum der Häuptlinge umziehen, und sehr dauerhafter Häuser.
Man versteht auch Stoffe zu sticken und zwar mit europäischer Wolle und Seide. Das Öl aus den Früchten
der Ölpalme erhält man einfach durch Auspressen derselben in einem Trog und durch Anwendung schwacher Wärme.
[* 23] Der Handel mit
diesem Öl nimmt beständig zu, obwohl der König seine Abgaben davon fortwährend steigert. Zahllose junge Ölpalmen sind rings
um alle Dörfer gepflanzt worden. Zur Zeit der Ernte
[* 24] bieten die Märkte in den großen Plätzen Toffo, Allada,
Whydah etc. ein äußerst belebtes Gemälde. Dahomé
könnte mindestens 5000 Ton. jährlich exportieren, aber gerade zur Zeit der
Ernte zieht der König und mit ihm die meisten Männer auf Kriegszüge aus. Der Ölhandel ist jetzt an die Stelle des früher
von der Küste aus schwunghaft betriebenen Sklavenhandels getreten, hat den letztern aber keineswegs ganz
verdrängt. Als Münze dienen die Kauris, deren 2000 den Wert von 1 span. Thaler haben. Die Dahomeer haben dieselben musikalischen
Instrumente wie alle andern Völker dieser Küstenländer: das Tamtam, die Elefantenzähne, die Kalebasse voll
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Knöchelchen, die doppelte Schelle, auf die man mit einem kleinen Stock schlägt; auch die Rohrflöte und die Harfe (sechssaitige Guitarre) hört man spielen. Von Harmonie und Melodie haben sie aber kaum eine Ahnung. Allgemein bei den Bewohnern beliebt ist der Tanz, der nach der größten Körperanstrengung ihre Erholung bildet, wobei auch der Branntwein nicht gespart wird. Die höchsten und ältesten Chefs, selbst der König, verschmähen es nicht, vor dem Volk zu tanzen.
Dahomé
hat sich erst in neuerer Zeit, seit dem Beginn des vorigen Jahrhunderts (gleichzeitig mit den Aschanti), aus kleinen Anfängen
durch die Umsicht seines damaligen Herrschers Guadia Trudo, die Tapferkeit seiner Bewohner und die Uneinigkeit
der kleinen angrenzenden Herrscher zu einer bedeutenden Macht erhoben, die sich bald durch die Eroberung Whydahs bis zur Seeküste
ausdehnte und noch in neuerer Zeit immer gewachsen ist, indem der kleine Staat von Annagou und die zahlreichen kleinen Republiken
der Mahi im Konggebirge von den Dahomeern unterjocht wurden.
Vgl. Dalzel, History of Dahomé
(Lond. 1793);
Forbes, Dahomé
and the Dahomians (das. 1851, 2 Bde.);
Guillevin, Voyage dans l'intérieur du royaume de Dahomé
(Par. 1862);
Burton, A mission to Gelele, king of Dahomé
(2. Aufl., Lond. 1864, 2 Bde.);
Skertchly, Dahomé
as it is (das. 1874);
Chappet, Quatre années au Dahomey (im »Bulletin de la Société de géographie de Lyon« [* 26] 1882).