die südwestlichste Halbinsel des Königreichs Italien,
[* 3] zwischen 38 und 40° nördl. Br. und 13 und 15°
östl. L. von Greenwich, grenzt im N. an die Landschaft Basilicata, im NO. an das Ionische, im W. an das Tyrrhenische Meer und
wird von einem wildzerklüfteten Gebirgslande (s. Calabrisches Gebirge) ausgefüllt. Die südlichste Spitze
ist Kap Spartivento. Die Küsten werden durch die Einbiegungen der Golfe von Sta. Eufemia, Gioja und von Squillace flach gegliedert;
nur kurze Küstenflüsse bewässern das Land, darunter Crati und Neto.
Das Klima ward schon im Altertum gepriesen; nur in flachern Gegenden erzeugen stillstehende Gewässer in der
heißen Jahreszeit ansteckende Krankheiten. Deshalb verläßt in den vier heißen Monaten jeder, der es vermag, das Tiefland.
Die schönsten Wälder von Fichten-, Tannen- und Lärchenbäumen sowie die harzreichen Bäume des von den Alten vielgepriesenen
Silawaldes beschatten den Rücken der Gebirge. Auch wachsen hier die immergrüne und die Cochenilleneiche,
die orient.
Platane,
[* 4] Kastanie, der Zirbel- und Nußbaum, Süßholz, Olive, Aloe und Feige. Der Eschenbaum giebt das CalabrischeManna. An der
Küste findet man den immergrünenden Tamariskenstrauch und den Erdbeerbaum. Aus dem Schilfrohr (Sarrachio) verfertigen die
Bewohner Schiffstaue, Körbe, Matten, Seile und Netze. Ungeachtet der geringen Kultur gedeihen vortrefflicher
Wein und gutes Öl; ausgeführt werden Getreide
[* 5] und Reis, Safran, Anis, Süßholz, Färberröte, Flachs und Hanf sowie Südfrüchte.
Auch die Seide
[* 6] ist sehr gut. Ebenso ist Calabrien reich an Schafen, Hornvieh, Büffeln, Maultieren und besonders schönen Pferden. Die
Gewässer enthalten Thunfische, Muränen und Aale. Bei Reggio fängt man die Pinna marina, eine Art Muschel,
aus deren feiner Wolle man einen seidenähnlichen Stoff verfertigt, der sehr leicht ist und doch gegen Kälte schützt. Auch
fischt man Korallen.
[* 7] Die Steinbrüche und Gruben liefern Alabaster, Marmor, Schleifsteine, Gips,
[* 8] Alaun,
[* 9] Kreide,
[* 10] Steinsalz, Lasursteine
und Kupfer.
[* 11]
Der Calabrese, vielfach dem Spanier ähnelnd, ist unwissend, abergläubisch, roh, dabei aber aufrichtig,
gastfrei und voll Ehrgefühl, deshalb
auch stets bewaffnet. Es giebt nur Reiche und Arme, ein Mittelstand fehlt ganz, daher
ist der Bauer in der traurigsten Lage. Die Mundart der Calabresen ist schwer zu verstehen, aber voll origineller und bezeichnender
Ausdrücke. In gegen 40 Ortschaften wohnen etwa 40000 Albanesen, deren Vorfahren im 15. Jahrh. eingewandert
sind und welche ihre Sprache
[* 12] und Sitte beibehalten haben. -
Vgl. Pagano, Lingue e dialetti di Calabria dopo il 1000 (Neap. 1879).
Außer den Hauptstädten giebt es nur noch wenige Orte, welche Manufakturen haben und Handel treiben. Die
Calabrische Eisenbahn, welche sich längs der Ostküste des Landes hinzieht und an der Westküste von Reggio bis Gioja-Tauro
fortgesetzt worden ist, umfaßt die Hauptlinie Taranto-Catanzaro-Reggio mit den Zweigbahnen Sibari-Cosenza und Marina di Catanzaro-Catanzaro.
Die Spuren desErdbebens, das das südliche Calabrien verwüstete, 300 Städte und Dörfer zerstörte
und 30000 Menschen begrub, sind noch jetzt nicht verschwunden. - Im Altertum war Calabrien, welches bis in die Langobardenzeit den
NamenBruttium (s. d.) führte, ein TeilGroßgriechenlands, das Vaterland des Charondas, Zaleukos, Praxiteles, Agathokles und
anderer berühmter Männer, das Land, wo auch Pythagoras seine Lehren
[* 13] verbreitete. Um 276 v. Chr. von den
Römern unterworfen, kam Calabrien nach dem Falle des abendländ. Kaisertums nacheinander an Odoaker, an die Ostgoten und durch Belisar
und Narses an das Oströmische Reich. Vom 6. bis in die zweite Hälfte des 11. Jahrh. geboten hier die Byzantiner, deren Herrschaft
der Normannenherzog Robert Guiscard ein Ende machte. Seit jener Zeit teilte Calabrien die Geschicke des neapolit.
Königreichs.