(lat.), Fall, Zufall,
Vorfall, Begebenheit; juristisch die Gefahr (s. d.) des Zufalls, der zufälligen
Beschädigung oder des zufälligen
Unterganges,
Verlustes, z. B. einer geschuldeten Sache. Darauf bezieht
sich die nicht für alle Fälle richtige Regel casum sentit dominus, d. h. die Gefahr des
Untergangs hat der Eigentümer zu
tragen;
oder die umgekehrte Regel casus non (a nullo) praestatur, d. h. für den Zufall wird nicht
gehaftet. Im andern
Sinn ist Casus ein Rechtsfall, daher: Casus
belli (s. d.),
Kriegsfall;
Casus conscientiae, Gewissensfall (s. Kasuistik);
Casus dabĭlis, ein gegebener, angenommener Fall;
Casus emergens, ein Umstand, durch welchen ein anhängiger Prozeß auf einmal eine andere
Wendung nimmt;
(lat.) werden in der
Grammatik die Formen genannt, die ein Nomen
(Substantiv und
Adjektiv) oder
Pronomen zum
Ausdruck
der verschiedenen
Beziehungen im
Satze (Objekt,
Subjekt, Ort,
Mittel u. s. w.) annehmen kann. Die meisten Casusformen lassen
sich zerlegen in den Wortstamm und dieCasusendung, welche die geforderte
Beziehung ausdrückt, z. B.
im lat. servus, servum ist servu-, älter servo-, der
Stamm, -s die Casusendung (Casussuffix) des Nominativs, -m die des
Accusativs.
Ohne Casusendung war von Anfang an der singularische Vokativ, z. B. serve, pater, was
nichts Auffallendes hat, als dieser Casus, als bloßer Anruf, außer syntaktischer
Beziehung zu den andern
Gliedern des
Satzes steht, also eigentlich gar kein Casus ist. Aber auch einige wirkliche Casusformen entbehrten von jeher
des
Suffixes, wie die singularischen Nominative lat. equa (= altind. açvā) und pater (= grch.
πατήρ), der griech.
Accusativ ἐμέ «mich», der lat.
Nominativ-Accusativ mare u. a. Die Gesamtheit
der Casus nennt man die Flexion oder Deklination (s. d.) des Nomens und
Pronomens.
Die indogerman.
Sprachen haben ursprünglich acht Casus; doch haben mehrere dieser
SprachenVerluste von Casus erlitten, sodaß z. B.
die deutsche nur vier hat, die griechische fünf, die lateinische sechs. Neuere sehr abgeschliffene
Sprachen, wie das
Französische,
haben der Form nach fast gar keinen Casus mehr, sondern bedienen sich entweder der Präpositionen
(z. B. agneau de dieu «Lamm
Gottes», lat. buchstäblich agnus de deo) oder die
Stellung des Wortes deutet genügend sein Verhältnis
im
Satze an. Die Casus der lat.
Sprache
[* 2] sind: Nominativ, Genetiv,
Dativ,
Accusativ, Vokativ undAblativ;
ursprünglich
gab es im Indogermanischen dazu noch einen
Lokativ (Casus des Ortes, Wo-Casus) und einen
Instrumental (C.der Gemeinsamkeit [als
solcher auch Sociativ genannt] oder des
Mittels), die noch in den heutigen slaw. und litauischen
Sprachen existieren.
Man teilt
die Casus ein in casus recti oder unabhängige, Nominativ und Vokativ, die zu andern Satzteilen
nicht in einem untergeordneten Verhältnisse stehen, und
Casus (moraltheologisc
* 3 Seite 53.1010.
^[Artikel, die man unter C vermißt, sind unter K aufzusuchen.]
¶
mehr
in Casus obliqui oder abhängige, die sich in einem untergeordneten Verhältnis zu andern Teilen des Satzes befinden; zu ihnen
gehören alle übrigen Casus.
Die Grundbedeutung der Casussuffixe in unsern indogerman. Sprachen etymologisch festzustellen ist nicht mehr möglich. Ein
Teil der Casus zeigt lokale Bedeutung, und es ist wahrscheinlich, daß ihnen diese Bedeutung
von jeher innewohnte, z. B. dem Locativus und dem Ablativus. Dagegen bringen der Nominativus
und der Accusativus kein räumliches Verhältnis zur Vorstellung, sondern drücken eine rein grammatische Beziehung des Nomens
zu einem andern Satzteil aus. Auch für diesen Casus hat man lokale Grundbedeutung in Anspruch genommen (lokalistische Casustheorie).
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