Charkow
(spr. chárkoff, früher Slobodische Ukraine), Gouvernement im europäischen Rußland, welches einen Teil von Kleinrußland bildet, im N. an die Gouvernements Kursk und Woronesh, im O. an das Land der Donischen Kosaken, im S. an Jekaterinoslaw und im W. an Poltawa grenzt, mit einem Areal von 54,493,9 qkm (989,7 QM.). Das Land ist ein mäßiges Hochplateau von 100-150 m mittlerer Höhe mit Steilabfällen an den Flüssen und vielen Einschnitten oder Erdschluchten (Balka oder Bujerak genannt), die meist mit Eichengesträuch und Schlehdorn bewachsen sind.
Flüsse

* 2
Flüsse.Der Boden, teils lehmig, teils sandig, ist fruchtbar. Flüsse [* 2] sind: der Donez, die Worskla und der Psiol. Im Frühjahr überschwemmen diese Flüsse das Land zu beiden Seiten weithin und machen es durch ihren Schlamm fruchtbar. Der Winter ist streng, um so schöner und milder der Sommer, so daß Wein (z. B. bei Isjum) sowie Arbusen und Melonen im Freien fortkommen. Die Einwohner, an Zahl (1881) 2,082,051 (38 auf 1 qkm), bestehen der Hauptmasse nach aus Kleinrussen und Kosaken, außerdem aus Großrussen, getauften, der griechischen Kirche angehörigen Kalmücken, Deutschen (etwa 1000), Juden und Zigeunern.
Für das
Gros der
Bevölkerung,
[* 3] welches sich zur orthodox-griechischen
Kirche bekennt, ist die Eparchie Charkow
errichtet worden.
Die
Evangelischen (1870: 1227) gehören zum
Moskauer Konsistorialbezirk; die Katholiken (1438) stehen unter
dem
Bistum
Tiraspol
(Gouvernement
Cherson). Die
Sekte der
Raskolniken zählte 16,877 Anhänger. Die Zahl der
Juden betrug nur 1756. Die
städtische
Bevölkerung beträgt nur 13,9 Proz. der Gesamtbevölkerung.
Ackerbau ist die Hauptbeschäftigung
der Bewohner.
Getreide (Zusammensetz

* 4
Getreide.Man baut sehr viel Getreide [* 4] aller Art, darunter auch Mais, Buchweizen und Hirse; [* 5] außerdem Hanf, Flachs, viel Zuckerrüben (im J. 1882 auf 26,155 Hektar), Mohn, Hopfen, [* 6] Tabak [* 7] [743 Hektar in (1882) 2964 Plantagen], Saflor, spanischen Pfeffer, Hülsenfrüchte, Gemüse und Obst aller Art. Von Kirschen und Schlehen gewinnt man den beliebten Wischnewka und Ternewka (Kirschgeist und Schlehenwein). Vom Gesamtareal kommen 47,5 Proz. auf Ackerland, 31,3 Proz. auf Grasland; 9,7 Proz. sind von Wald bedeckt, und 11,5 Proz. stellen unproduktives Land dar.
Hebriden, Neue - Hebun

* 10
Hebung.
Ein zweiter Nahrungszweig ist die
Viehzucht,
[* 8] welche durch die üppigen, grasreichen
Weiden befördert wird. Besonders sind
die
Pferdezucht,
[* 9] welche in 53
Gestüten (unter diesen ragen hervor die Bjelowodskischen) vortreffliche Reitpferde für das
Militär liefert, die Rindviehzucht, welche ausgezeichnetes Mastvieh für die Schlachthallen der
Residenzen produziert, und die Schafzucht, welche Charkow
zum ersten Wollmarkt Rußlands gemacht hat, von Belang;
zu ihrer
Hebung
[* 10] besteht seit 1837 eine
Aktiengesellschaft in Charkow
Gegenwärtig zählt das
Gouvernement 239,000
Pferde,
[* 11] 478,000
Stück
Rindvieh, 769,986 gewöhnliche und 529,790 feinwollige
Schafe,
[* 12] 372,000
Schweine.
[* 13]
Auch bedeutende Bienenzucht [* 14] sowie Seidenbau werden betrieben. Der Fischfang im Gouvernement ist unbedeutend, bemerkenswert ist aber der Schildkrötenfang im Donez. Gegenstand der Jagd sind Füchse und Hasen, vornehmlich aber Federwild, als Trappen, Reb- und Birkhühner, Schnepfen, Taucher und Reiher. Das Steinreich liefert nur Thon, Kalk, Salpeter und Kreide [* 15] an den Steilgehängen der Flüsse. Die Industrie ist seit den letzten Jahrzehnten in bedeutendem Wachsen begriffen.
Äm ansehnlichsten ist die Rübenzuckerfabrikation, welche 22 Etablissements umfaßt, die 1882-83: 2,967,566 Ton. (à 1000 kg) Rüben verarbeiteten, aus denen 25,195½ T. Zucker [* 16] gewonnen wurden;
Eisengießerei (Tiegelg

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Eisengießerei.außerdem gibt es an größern gewerblichen Etablissements 12 Wollwäschen, 21 Bier- und Metbrauereien, 3 Zuckerraffinerien, 19 Gerbereien, 4 Großkürschnereien, 1 Eisengießerei, [* 17] 31 Mahlmühlen, 4 Grütze- und Graupenfabriken, (1882-83) 52 Branntweinbrennereien, 2 Seilereien, 132 Ziegelbrennereien.
Der
Wert der gesamten industriellen
Produktion wurde im J. 1881 auf 26,181,133
Rubel geschätzt. Der
Handel des außerhalb der
Fluß- und Kanalstraßen gelegenen
Gouvernements ist durch den
Bau der
Eisenbahn von
Moskau
[* 18] nach dem
Asowschen
Meer, welche dasselbe durchschneidet,
und von der bei der Hauptstadt Charkow
die
Bahn nach
Odessa
[* 19] abzweigt, wesentlich gefördert worden. Außer etwa 600
Jahrmärkten
finden vier
Messen statt, von denen zwei (die Kreschtschenskische im
Januar und die Prokrowskische im
Oktober, jene mit einer
Anfuhr von 27 und einem
Absatz von (1886) 15 Mill., diese von 10-15 Mill.
Rubel) zu den größten des
Reichs
gehören.
Die Handelsgegenstände sind vorzüglich:
Häute,
Wolle, Vieh und
Pferde,
Leder-,
Seiden-,
Woll- und Baumwollwaaren, sodann
Pelz-,
Holz-,
Eisen- und Stahlwaren etc., die aus dem In- und
Ausland, sogar aus dem fernen
Asien,
[* 20] zugeführt werden.
An Bildungsanstalten besitzt Charkow
eine
Universität und von niedern
Schulen verhältnismäßig mehr als die meisten übrigen
Provinzen des
Reichs; trotzdem besuchen im Charkower
Lehrbezirk nur
ca. 11 Proz. der schulpflichtigen
Kinder die
Schule. Das
Gouvernement
Charkow
zerfällt in die elf
Kreise:
[* 21]
Achtyrka,
Bogoduchow, Charkow
,
Isjum, Kupjansk, Lebedjin,
Smijew,
Sumy, Starobjelsk,
Walki und
Woltschansk.
Charlatan - Charleston

* 22
Seite 3.950.Die gleichnamige Hauptstadt des Gouvernements ¶
Sternwarte

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Sternwarte.mehr
liegt in einer freundlichen Gegend, zwischen und an den Flüssen Charkowka
, Lopan und Nekisch, welche in die Uda (Nebenfluß
des Donez) fallen, und im Vereinigungspunkt zweier Eisenbahnen (s. oben). Sie hat ein neues Gerichtsgebäude, große Kasernen, 2 griechische
Klöster, 18 Kirchen (worunter eine schöne Kathedrale) und (1879) 133,139 Einw. Charkow
besitzt
Fabriken für Zucker-, Lichte-, Seifen-, Filz-, Bier-, Spiritus- und Branntweinproduktion, treibt auch Tabaks- und Runkelrübenbau,
hat eine Eisengießerei, einen steinernen Kaufhof, etwa 900 Buden, Kramläden und Kaufhallen und ist für den Handel Rußlands
von besonderer Wichtigkeit durch seine vier großen und berühmten Messen (s. oben). Charkow
ist der Sitz des
Gouverneurs, der Gouvernementsbehörden und eines griechischen Bischofs, hat eine 1804 von Kaiser Alexander I. gegründete Universität
mit vier Fakultäten: der historisch-philologischen, der physiko-mathematischen, der juristischen und der medizinischen (1882
mit 821 Studierenden), die mit Sternwarte,
[* 23] Bibliothek, Naturalienkabinett, Klinik, anatomischem Museum und botanischem Garten
[* 24] versehen ist, ein theologisches Seminar, ein Gymnasium, eine Real-, eine Kreisschule, eine Veterinärschule,
ein Waisenhaus, ein Hospital, das Fräuleinstift der Kaiserin Maria und eine Philotechnische Gesellschaft. Ein Teil der frühern
Wälle ist in Promenaden und Gärten verwandelt worden. Etwa 7 km von Charkow
befindet sich seit 1854 eine landwirtschaftliche Lehranstalt.
- Charkow
wurde 1653 von Zar Alexei Michailowitsch angelegt und 1780 bei Errichtung des Gouvernements Charkow
zur
Hauptstadt desselben erhoben.