Recht
(lat.
Jus), im objektiven
Sinn der Inbegriff von
Regeln, welche, auf äußern
Satzungen der
Völker beruhend, die
menschlichen Lebensverhältnisse in erzwingbarer
Weise normieren; im subjektiven
Sinn die einer
Person (Recht
ssubjekt) in einem
gewissen
Kreis
[* 3] eingeräumte und durch das objektive Recht
geschützte, erzwingbare Macht. Das Recht im
objektiven
Sinn enthält die
Grundsätze, nach welchen der
Mensch sein Verhalten einrichten muß, indem es auf der einen Seite
Verbindlichkeiten, auf der andern Befugnisse
(Rechte im subjektiven
Sinn) begründet.
Befugnis und die ihr entsprechende Verpflichtung bilden zusammen ein
Recht
sverhältnis. Die ein solches normierende
Regel
wird Recht
ssatz (Recht
snorm), ein
Komplex zusammengehöriger Recht
ssätze Rechtsinstitut genannt, wie
z. B. die auf die
Ehe, auf die
Vormundschaft, auf die testamentarische
Erbfolge bezüglichen
Satzungen. Das gesamte Recht
im objektiven
Sinn besteht hiernach aus einer
Summe von Recht
ssätzen, deren wissenschaftliche
Darstellung den Gegenstand der
Rechtswissenschaft
(s. d.) bildet.
In der Erzwingbarkeit dieser
Satzungen liegt der Unterschied von Recht
und
Moral.
Sein gesamtes
Wollen und
Handeln
hat nämlich der
Mensch zunächst nach dem
Sittengesetz zu bestimmen. Allein, was der Einzelne für sittlich erlaubt und unerlaubt
hält, ist
Sache seiner subjektiven Überzeugung. Darum erheischt ein geordnetes Zusammenleben der
Menschen noch ein strengeres,
äußerlich erkennbares und erzwingbares
Gebot, welchem sich der Einzelne fügen muß, denn nur so wird
die Gesamtheit vor dem irrenden oder dem unsittlichen
Wesen Einzelner sichergestellt.
Hierin liegt auch zugleich der Unterschied zwischen dem positiven Recht
und dem sogen.
Naturrecht
(Vernunftrecht), d. h. den durch Nachdenken als der Recht
sidee entsprechend gefundenen
Sätzen, welche als »philosophisches Recht«
lediglich wissenschaftliche
Autorität beanspruchen können: alles wahre ist positives Recht.
Es liegt aber in der
Natur des Rechts
, daß
vor Entstehung des
Staats von einem eigentlichen Recht nicht die
Rede sein konnte. Denn erst mit der
Gründung des
Staats ist in der
Staatsgewalt eine Macht gegeben, die allgemein verbindliche
Normen nicht nur aufstellen, sondern auch erzwingen
kann. So ist denn der Rechtsschutz, wenn auch nicht die ausschließliche, so doch die Hauptaufgabe des
Staats.
Sie wird durch die gesetzgeberische (s. Gesetz) und durch die richterliche Thätigkeit des Staats wahrgenommen (s. Gericht). Das Gesetz ist jedoch nicht die ausschließliche Quelle [* 4] der Entstehung des Rechts (Rechtsquelle). Auch dasjenige Recht, welches unmittelbar auf den Willen des Volkes zurückzuführen und der unmittelbare Ausfluß [* 5] seines Rechtsbewußtseins ist, indem es sich im Rechtsleben des Volkes offenbart, das Gewohnheitsrecht (Jus non scriptum), ist wahres Recht, ungeschriebenes Recht im Gegensatz zu dem geschriebenen Gesetzesrecht (Jus scriptum).
Unrichtig ist es dagegen, ein sogen. Recht der Wissenschaft oder ein durch den Gerichtsgebrauch entstandenes Recht anzunehmen; denn weder die Wissenschaft noch die Praxis der Gerichte ist dazu berufen, neues Recht zu schaffen. Wie aber der Mensch seinen Mitmenschen als Einzelnen gegenübersteht und dann der Gesamtheit des Staats, so zerfällt auch das objektive in zwei Hauptteile: das Privatrecht (Jus privatum), welches sich auf die Lebensverhältnisse der erstern Art, und das öffentliche Recht (Jus publicum), welches sich auf die Stellung des Einzelnen zur Gesamtheit des Staats bezieht.
Durch den Verkehr der Staaten untereinander ist noch eine dritte Gattung des Rechts, das Völkerrecht (s. d.), hinzugekommen, welches die Beziehungen der Völkerschaften zu und untereinander normiert, aber kaum als eigentliche Recht bezeichnet werden kann, da ihm ein Hauptrequisit des letztern, die unbedingte Erzwingbarkeit, fehlt. Das Privatrecht normiert aber einmal die persönlichen (Personenrecht) und dann die Vermögensverhältnisse (Vermögensrecht) der Menschen. Das Personenrecht wiederum stellt teils die Rechte der Person als solcher ¶
mehr
(Personenrecht im engern Sinn), teils die Rechte, welche der Person als Glied der [* 7] Familie (Familienrecht) zukommen, dar; das Familienrecht wird wiederum in Ehe-, Verwandtschafts- und Vormundschaftsrecht eingeteilt. Das Vermögen einer Person aber besteht teils in der ganzen oder teilweisen Herrschaft über Sachen, teils in dem Recht auf Handlungen und Leistungen andrer Personen, und damit hängt die Einteilung des Vermögensrechts in Sachenrecht und Recht der Forderungen oder Obligationenrecht zusammen, von welch letzterm das Handels- und Wechselrecht einen wichtigen Bestandteil bildet. Da die Vermögensrechte regelmäßig mit dem Tode des Berechtigten ihr Ende nicht erreichen, so kommt noch das Erbrecht hinzu, welches das Schicksal des Vermögens einer Person nach deren Tod bestimmt.
Das öffentliche Recht zerfällt in das Staatsrecht (öffentliches Recht im engern Sinn, Verfassungs- und Verwaltungsrecht), Kirchenrecht, Strafrecht und Straf- und Zivilprozeßrecht. Entsprechend der Einteilung des Rechts im objektiven Sinn in öffentliches Recht und Privatrecht, lassen sich auch die subjektiven Rechte, welche durch jenes begründet werden, in öffentliche Rechte und Privatrechte klassifizieren. Letztere sind der Zahl nach die bedeutendsten, während jene, die sogen. politischen Rechte, dieselben an Wichtigkeit überragen. Nach seinem geographischen Geltungsgebiet endlich ist das in gemeines (Jus universale) und partikuläres (Partikularrecht, Jus particulare) einzuteilen, je nachdem es für ein ganzes Land oder nur für einen Teil desselben Geltung hat; ein namentlich für Deutschland [* 8] wichtiger Unterschied (s. Deutsches Recht).